Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 110, Nr. 3, 1.2.2020, (142) DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR PARODONTOLOGIE E.V. (DG PARO) NOCH HEUTE LEBEN WIR VON DEN GEDANKEN AXELSSONS Per Axelsson wurde in Värmland geboren und blieb sein Berufsleben lang seiner Heimatstadt treu. Er studierte in Stockholm Zahnmedizin und wurde durch seine fortwährenden, unermüdlichen Forschungs- und Vortragsaktivitäten zur führenden internationalen Autorität der präventiven Zahnheilkunde. Seine Erkenntnisse, die er in den 1970er- und 1980er-Jahren gewonnen hat, prägen bis heute das Bild der zahnärztlichen Prophylaxe. Zu einer Zeit, in der sich die Gnathologie in Deutschland als Königsdisziplin der Zahnmedizin verstand, führte er uns vor Augen, dass exzellente Zahnheilkunde vor allem bedeutet, die Entstehung von Karies und Parodontitis beziehungsweise deren Progression zu verhindern. Axelson arbeitete parallel zu seiner privaten Zahnarztpraxis in Karlstad, die er von 1961 bis 2004 führte, an einem PhD (1970 bis 1975) in der Abteilung Parodontologie unter Jan Lindhe in der neu eingerichteten zahnmedizinischen Fakultät der Universität Göteborg. Er führte in Karlstader Schulen eine Reihe von klinischen Interventionsstudien an Kindern und Teenagern durch, um die Aus- wirkungen einer regelmäßigen und sorgfältig durchgeführten pro- fessionellen mechanischen Zahnreinigung auf Karies und Gingivitis zu bewerten. Kern waren die professionelle Entfernung der Plaque – vor allem approximal – und ausführliche Mundhygieneunterweisun- gen. Diese Studien führten von ihm ausgebildete Zahnarzthelferinnen durch. Er wies immer wieder daraufhin, dass eine Prophylaxe, die nur die bukkalen, lingualen und okklusalen Flächen reinigt, „Humbug“ sei. Ihm war wichtig, dass nicht alle Patienten gleich behandelt werden, sondern dass das Recall-Intervall auf das individuelle Risiko des Patienten abgestimmt wird, um so den Behandlungsaufwand zu mini- mieren. Immer wieder verwies er auf die Notwendigkeit bedarfs- orientiert und wirtschaftlich zu behandeln. Basierend auf diesen Gedanken initiierte er 1978 ein Programm für drei- bis 19-jährige Kinder in seiner Heimatprovinz Värmland, wodurch innerhalb einer Dekade der DMFT bei Zwölfjährigen von 6,5 auf 1,0 sank. In Brasilien führte er an Jugendlichen ähnliche Versuche durch, um die Übertragbarkeit seiner Konzepte auf andere Kulturen und Popula- tionen nachzuweisen. International wurden von vielen Arbeitsgruppen Nachfolgestudien durchgeführt, die im Großen und Ganzen seine Ergebnisse reproduzieren konnten. Dieses Konzept der Motivation und Instruktion sowie der kontinuier- lichen professionellen mechanischen Plaqueentfernung übertrug er dann auf die Individualbehandlung von Erwachsenen mit und ohne Parodontitis. In einer Studie über 30 Jahre konnte er zeigen, dass es bei diesen Patienten kaum zu neuen kariösen Läsionen beziehungs- weise zur Parodontitisprogression oder gar zum Zahnverlust kam. Um das oben skizzierte Programm im klinischen Alltag effizient um- setzen zu können, entwickelte er zusammen mit der schwedischen Firma Dentatus das reziprok arbeitende Winkelstück EVA mit den entsprechenden Kunststoffansätzen zur approximalen mechanischen Plaqueentfernung, diamantierte Ansätze zur Entfernung von Füllungs- überhängen und das PER-IO-TOR-Instrumentarium zur schonenden subgingivalen Konkremententfernung. Von 1976 bis 2004 war Axelsson verantwortlich für die Ausbildung von Dentalhygienikerinnen in Karlstad, von 1975 bis 1999 Vorsit- zender der Abteilung Präventive Zahnmedizin der Folktandvarden und 1993 wurde er zum außerordentlichen Professor für präventive Zahnmedizin an der Universität Göteborg ernannt. Ich erlebte 1982 Axelsson in seiner eigenen Praxis in Karlstad. Er pflegte einen herzlichen, aber bestimmten Umgang mit seinen Patienten wie mit seinen Mitarbeiterinnen. Seine Praxis war weit ent- fernt von den durchgestylten Räumen seiner deutschen Kollegen, das deutsche Gewerbeaufsichtsamt hätte sicherlich Bedenken an dieser Praxiskonzeption gehabt. Seiner Mission, dass ohne Plaque kein Zahn erkrankt, verschrieben sich seine Patienten mit Haut und Haaren. Auf der ersten Europerio in Paris 1994 erlebte ich seine uneingeschränkte Fokussierung auf ein Ziel sehr anschaulich. Der Referentenabend fand im Louvre statt, und er erklärte mir sehr eindringlich, wie seine PER-IO- TOR-Instrumente Konkremente noninvasiv abtragen, ohne dass er der Mona Lisa auch nur einen Blick schenkte. Ein weiteres Mal traf ich ihn auf einer der europäischen Konsensuskonferenzen in Ittingen in der Schweiz, wo die europäischen Parodontologen zum ersten Mal mit der Evidenz-basierten Medizin konfrontiert wurden. Axelsson sollte ein Review über die mechanische supragingivale Plaquekontrolle machen, er schrieb jedoch ein narratives Review, ohne EBM-Kriterien in Betracht zu ziehen und konzentrierte sich auf seine eigenen Publi- kationen. Diese Diskussion – dass seine Studien keine RCTs sind und deshalb nichts zur Evidenz beitragen – begleitet uns noch heute. Doch wir leben auch heute noch in der präventiven Zahnmedizin von den Gedanken Axelssons, selbst wenn diese eher verborgen sind. Hinter dem neu etablierten Schlagwort Guided Biofilm Therapy ver- birgt sich, dass der Behandler zuerst den angefärbten Biofilm und dann erst gezielt den Zahnstein entfernt. Nichts anderes sagte Axelsson schon vor Jahrzehnten. Prof. Dr. med. dent. Thomas Kocher, Universität Greifswald EUROPEAN FEDERATION OF PERIODONTOLOGY (EFP) EIN LEBEN FÜR DIE PRÄVENTION Sein Enthusiasmus und sein unermüdlicher Einsatz für eine präventiv orientierte Zahnmedizin – in Bezug auf Karies und Parodontitis – haben uns alle in Europa inspiriert und begeistert! Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Bonn 20 | GESELLSCHAFT

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