Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 110, Nr. 3, 1.2.2020, (143) ausgeschlossen, da man nur Unter- suchungen des nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin (EbM) aussagekräftigsten RCT-Standards berücksichtigen wollte. RCTs fordern aber zwingend den Vergleich von Test- und Kontrollgruppen. Der Verweis auf die Auflösung der Kontrollgruppe aus ethischen Gründen half nicht. Dass ärztlich-ethisches Verhalten zum Aus- schluss aus der Evidenzbewertung führte, erboste viele Zahnärzte ganz besonders. Bis heute bewertet daher der MDS den Nutzen der PZR für Erwachsene ohne Parodontitis als „unklar“. Ungeachtet dessen haben die von Axelsson initiierten Studien einen Paradigmenwechsel von der kurativen zur präventiv orientierten Zahnmedizin eingeleitet. Professionelle Vorsorge ge- hört heute zu den selbstverständlichen Leistungen einer Zahnarztpraxis und genießt eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Die enorme Strahlkraft seiner Arbeiten auf die Zahnmedizin beruhte auch darauf, einen Weg aufge- zeigt zu haben, wie Prophylaxe nicht nur unter den „Laborbedingungen“ einer Studie, sondern konkret in der Zahnarztpraxis umsetzbar ist. Axelsson und Lindhe hatten mit ihrem Prophy- laxeprogramm ein strukturiertes, in der Praxis gut umsetzbares Ablaufprotokoll entwickelt, das schließlich zum Vor- bild für die heutige PZR wurde. Heute profitieren Millionen Menschen in aller Welt davon. br BUNDESZAHNÄRZTEKAMMER ER HAT GEZEIGT, WIE PRÄVENTION ERFOLGREICH IST! Bereits in den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts beschäftigte sich Prof. Dr. Per Axelsson gezielt aus der Sicht der zahnärztlichen Praxis ausführlich mit der Frage, wie die Entstehung und Progression von Karies und Parodontitis beeinfluss- bar ist. In dieser Zeit war in Deutschland die zahnmedizinische Versorgungslandschaft noch ausschließlich auf die Reparatur von Zahnschäden ausgerichtet. Entsprechend waren auch die epidemiologischen Ergebnisse zur Mundgesundheit im internationalen Vergleich – Deutschland war zu diesem Zeitpunkt noch Entwicklungsland bei der Prävention. Zu Beginn der 1990er-Jahre wurde – auch durch gesetzgeberische Initiativen ausgelöst – die Prävention insbesondere für Kinder und Jugendliche deutlich verbessert. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat mit ihrem Konzept „Prophylaxe ein Leben lang“ diese Entwicklung maßgeblich mit der Zielsetzung begleitet, die zahnmedizinische Prävention über den gesamten Lebensbogen eines Menschen auszudehnen. Bei der Entwicklung dafür notwendiger Konzepte für den Praxisalltag waren die Erkenntnisse von Prof. Axelsson entscheidend. Er und sein Forschungsteam hatten im Rahmen ihrer Studien belegen können, dass durch Motivation und Instruktion sowie eine kontinuier- liche professionelle mechanische Plaqueentfernung die Entstehung und Progression von Karies und Parodontitis erheblich vermindert werden konnte. Dies war die Geburtsstunde der Professionellen Zahnreinigung (PZR), die die BZÄK in ihrem Konzept als wesentlichen Prophylaxebaustein einführte. Um jedoch den zahnärztlichen Praxen entsprechende Voraussetzungen und Strukturen für ein wirksames Umsetzen zu ermög- lichen, wurde die Fortbildung der damaligen Zahnarzthelferin im Bereich der Prophy- laxe, nicht zuletzt auch auf Grundlage der praktischen Erfahrungen von Axelsson, durch die Zahnärztekammern deutlich ausgebaut. Außer der ZMF wurden die ZMP und die DH eingeführt. Neben der Definition der PZR waren so gleichzeitig die notwendigen strukturellen Voraussetzungen geschaffen worden, um die Individual- prophylaxe gezielt in jeder Praxis umzusetzen. Bei der Novellierung der GOZ 2014 wurde der Begriff der Professionellen Zahnreinigung erstmals in eine Gebührenordnung eingeführt. Heute zeigt sich, dass die PZR nicht nur eine der am häufigsten abgerechneten GOZ- Leistungen ist, sondern bei der Akzeptanz in der breiten Bevölkerung sehr hohe Werte erreicht. Sie ist heute selbstverständlicher Bestandteil des Leistungsspektrums einer modern ausgerichteten Zahnarztpraxis. Selbst gesetzliche Krankenkassen zahlen auf freiwilliger Basis entsprechende Zuschüsse – trotz der immer wieder befeuerten Diskussion, die PZR wäre eine „wissenschaftlich nicht nachgewiesene IGEL-Leistung“. Sicherlich erfüllen die von Professor Axelsson veröffentlichten Studien nicht die heutigen Kriterien der als Goldstandard der evidenzbasierten Medizin (EbM) geltenden RCT. Der EbM-Pionier David Sackett hatte aber bei seiner Definition der evidenzbasierten Medizin nicht allein die wissenschaftliche Erkenntnislage im Blick, sondern auch das Erfahrungswissen des Zahnarztes (interne Evidenz) und die Erwartungshaltung des Patienten. Per Axelsson hat durch seine Studien genau diese aus der Praxis kommen- den Erkenntnisse dokumentiert und gezeigt, wie Prävention erfolgreich ist. Heute gehört Deutschland zu den Ländern mit der besten Mundgesundheit. Wir haben von Prof. Per Axelsson gelernt und wir tun gut daran, seine Erkenntnisse jeden Tag in der Praxis für unsere Patienten umzusetzen. Dies ist und bleibt sein Verdienst, das wir in Ehren halten werden. Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Foto: Björn Klinge | 21
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