Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 110, Nr. 3, 1.2.2020, (150) zahnärztliche Hochschullehrer wer- den, der das Amt des Rektors erlangte. Loos lehnte den Ruf an seine Heimat- universität jedoch ab und handelte stattdessen in Frankfurt die Erlaubnis zur Errichtung einer Bettenabteilung aus. 2 Zudem gehörte Loos – zusammen mit Oskar Weski 22 , Hans Sachs und dem Oralpathologen Herbert Siegmund 23 – zu den deutschen Nestoren der Paro- dontologie. 24-26 Darüber hinaus etab- lierte er 1920 in Frankfurt den Bereich Kieferorthopädie durch die Berufung beziehungsweise Förderung von Peter- Paul Kranz und Rudolf Winkler. Beson- ders bekannt wurden neben den paro- dontologischen Publikationen seine Arbeiten zur Zahnpflege in der Armee und zur zahnärztlichen Ausbildungs- frage. 15, 27-28 Auch zur Kieferchirurgie, zur Röntgenologie und zur Herdfor- schung lieferte er Beiträge. Trotz seines frühen Todes veröffentlichte Loos ins- gesamt mehr als 60 Publikationen. 2 Loos erlangte bereits vor der Macht- übernahme Hitlers etliche Ämter und Ehrungen: 1924 wurde er Vorsitzender des Frankfurter Zahnärztlichen Vereins (bis 1929), 1926 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Paradentose (ARPA) – der Vorläuferorganisation der heutigen Deutschen Gesellschaft für Parodontologie –, 1928 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für dentale Ana- tomie und Pathologie und 1930 Vorsit- zender der zahnärztlichen Dozenten- vereinigung. 1931 wurde ihm anlässlich des 60. Geburtstags eine Festschrift ge- widmet 29 ; zudem wurde er Mitbegrün- der der ARPA internationale. 1932 er- folgte schließlich seine Ernennung zum Ehrenpräsidenten der ARPA. 2, 4 Damit ist Loos ein prototypisches Bei- spiel für zahnärztliche Hochschulleh- rer, die sich dem Nationalsozialismus verschrieben, obwohl sie bereits vor 1933 eine beachtliche Karriere erreicht hatten. Häufiger waren freilich diejeni- gen Zahnärzte, die sich dem Regime in der Hoffnung auf einen Karrieresprung andienten. Zweifellos gab es Zahnärzte, die im Unterschied zu Loos direkt in die NS-Verbrechenskomplexe verwickelt waren 30-33 – bis hin zu Kapital- verbrechen wie Mord und Totschlag. Immerhin wurden allein 15 Zahnärzte nach dem Zusammenbruch des „Drit- ten Reichs“ als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt. 34 Dass Loos dennoch in diese „Täter“-Reihe aufgenommen wurde, hat nicht zuletzt mit seiner be- merkenswerten Nachkriegsrezeption zu tun: Seine Biografie zeigt in geradezu mustergültiger Weise, wie sehr – und wie erfolgreich – die Nachkriegsgenera- tion die politische Verstrickung von Fachvertretern im „Dritten Reich“ aus- blendete oder exkulpierte 35 – bis hin zu der Entscheidung, Loos posthum mit einer Namensträgerschaft zu ehren und damit zu einem Honoratior zu er- heben. Gerade auch die Auseinander- setzung mit derartigen Phänomenen ist ein notwendiger Teil der Aufarbei- tung der NS-Geschichte. 36, 37 \ ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 22 Groß, 2018c, 96f.; 23 Rinnen/Groß, 2020 (in press); 24-26 Strobel, 2011, 56; Loos, 1935, 361–368; Loos, 1936, 101–127; 27-28 Loos, 1936, 101–127; Jessen/Loos/Schlaeger, 1904; 29 Festschrift an- lässlich des 60. Geburtstages, 1931; 30-33 Westemeier/Groß/Schmidt, 2018, 93–112; Schmidt/Groß/ Westemeier, 2018, 113–127; Heit et al., 2019; Schwanke/Groß, 2020; 34 Rinnen/Westemeier/Gross, 2020 (in press); 35 Groß/Krischel, 2019; 36, 37 Schwanke/Krischel/Gross, 2016, 2–39; Groß et al., 2018 zm-SERIE: TÄTER UND VERFOLGTE IM „DRITTEN REICH“ Hans Sachs – Zahnarzt, Migrant und „Plakatfreund“ Thorsten Halling, Matthis Krischel Hans Josef Sachs war nicht nur als Zahnarzt erfolgreich, er machte sich auch als Sammler künstlerischer Plakate einen Namen. Verfolgt wegen seiner jüdischen Wurzeln gelang ihm 1938 die Freilassung aus dem Konzentrations- lager Sachsenhausen und die Emigration in die USA. Dort fasste er als Zahnarzt wieder Fuß. Seine Kunstsammlung schrieb insbesondere nach dem Mauerfall Geschichte. H ans Josef Sachs gehört zu den wenigen im Nationalsozialis- mus verfolgten und vertriebenen Zahnärzten, die nach ihrer erzwunge- nen Emigration nicht in Vergessenheit gerieten. Ihm gelang es sogar, in zwei ganz unterschiedlichen Erinnerungs- gemeinschaften Andenken zu finden: Aus einer bekannten Zahnärzte-Dynas- tie stammend hatte er sich auch als Plakatsammler einen Namen gemacht. Biografische Skizzen, autobiografische Schriften 1 , ein im Leo Baeck Institute in New York verwahrter Nachlass 2 und Nachlasssplitter 3 ergeben das Bild eines „vielseitig begabten Menschen“, wie es in einer Laudatio zu seinem 90. Geburtstag hieß. 4 1881 in Breslau geboren, besuchte Sachs zunächst dort das König- 1 Sachs, Hans J., 1966, 86–92, 130–132, 183–187; 2 Leo Baeck Institute Archives AR 2564 Hans J. Sachs Collection.; 3 Historisches Archiv der Bundeszahn- ärztekammer (HA BZÄK) 02–8; 4 Zahnärztliche Mitteilungen 18/1971, S. 916 28 | GESELLSCHAFT
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