Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 110, Nr. 3, 1.2.2020, (161) der Zahnbehandlung von der Extraktion über die kleine Füllung bis zu umfang- reichem Zahnersatz fokussierend wirken. Entscheidend ist die nachfolgend auf- tretende Hypersensitivität des Patienten in Bezug auf die Empfindung seiner Zahnkontakte. Auch wenn es so scheint, als ob die Tast- sensibilität an sich erhöht ist, haben Stu- dien gezeigt, dass im Mittelpunkt des Be- schwerdebildes die zentrale maladaptive Bewertung des Zahnkontakts steht. Das übliche Wegfiltern neutraler Signale (hier: Zahnkontakt) wird durch ein immer wie- derkehrendes übersteigertes Wahrnehmen ersetzt. Die Patienten leiden sehr unter der Situation, ohne die Zusammenhänge erkennen zu können. Auch die behan- delnden Zahnärzte leiden unter den fruchtlosen Behandlungsversuchen und sind ebenfalls mit zunehmender Behandlungsdauer stark belastet. DIAGNOSTIK Eine frühzeitige Erkennung des Be- schwerdebildes „Okklusale Dysästhe- sie“ ist erforderlich, um eine passende Behandlung veranlassen zu können und nicht zielführende okklusale Maß- nahmen zu vermeiden. Als Hinweise auf das Vorliegen einer okklusalen Dysästhesie gelten: 1. wiederholte, aber erfolglose Änderungen der Okklusion 2. Diskrepanz zwischen okklusalem Befund und Befinden 3. Patienten ordnen unspezifische Beschwerden kausal der Okklusion zu. 4. Patienten beschreiben ihr Problem ausführlich und zum Teil mit Begriffen aus der (zahn)medizinischen Fachsprache. 5. starke negative Emotionen gegenüber den Vorbehandlern, verknüpft mit überhöhten positiven Erwartungen an den oder die Folgebehandler Es empfiehlt sich, neben einer ausführ- lichen allgemeinen Anamnese mit strukturierten Fragebögen den gesam- ten Gesundheitszustand zu erfragen. Eine Ganzkörperzeichnung zum Schmerzerleben beziehungsweise von Beschwerden in den vergangenen Monaten öffnet den Blick auf gleich- zeitig vorliegende zusätzliche Gesund- heitsprobleme. Ergänzend sind validierte Frage- bögen als Screening auf unspezifi- sche Risikofaktoren hilfreich zur Erfassung der Dimensionen der Probleme. \ Chronifizierung: Graduierung chronischer Schmerzen (GCPS) \ Angst, Depression: Personal health questionnaire-4 (PHQ-4) oder Fragebogen Depression, Angst und Stress (DASS) \ Emotionaler Stress: Stressfrage- bogen (SRRS) oder DASS \ Somatisierung: Beschwerdeliste nach von Zerssen (BL-R/BL-R`) oder Somatic symptom scale (SSS-8) oder Personal health questionnaire 15 (PHQ-15) Fotos: Imhoff Abb. 1: Aufsicht Unterkiefer September 2014 Abb. 2: Aufsicht Unterkiefer September 2018: In den vier Jahren suchte der Patient die Praxis über 100-mal auf mit der Bitte um Korrekturen an den Kauflächen, weil der Biss nicht stimme und dies seine Gesundheit beeinträchtige. 1 2 | 39
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