Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 110, Nr. 3, 1.2.2020, (168) Funktion. Beim „Reparieren“ wird etwas, das nicht mehr funktioniert, entzweigegangen oder schadhaft geworden ist, wieder in den früheren intakten, gebrauchsfähigen Zustand gebracht [Duden, 2019]. Damit grenzt sich das Reparieren qualitativ vom „Ausbessern“ ab – wird etwas nur ausgebessert (durch Aufsetzen eines Flickens), spricht man von „Flicken“ [Duden, 2019]. Bezogen auf den Um- gang mit defekten Restaurationen ist beim Reparieren in der Regel eine dif- ferenzierte, auf die Besonderheiten der beteiligten Substrate (Schmelz, Dentin, Silikatkeramik, Oxidkeramik, Edel- metall- und NEM-Legierungen) abge- stimmte Vorgehensweise erforderlich. Darauf liegt der Fokus dieses Beitrags. Es gibt jedoch Situationen, beispiels- weise in der Behandlung stark kom- promittierter Patienten oder beim not- fallmäßigen, temporären Ausbessern von Defekten, in denen Kompromisse bezüglich Indikationsstellung und Komplexität des Reparaturprozederes unumgänglich sind. ENTSCHEIDUNGSKRITERIEN Reparaturen sind grundsätzlich nur sinnvoll, wenn die erforderliche Adhä- sivtechnik machbar ist, Funktion und Ästhetik nicht beeinträchtigt werden und ein dauerhaftes Ergebnis erwartet werden kann [Frankenberger, 2012]. Dagegen sollte auf eine Reparatur zugunsten einer Neuanfertigung ver- zichtet werden, wenn dem Defekt ein systematischer Fehler zugrunde liegt, von dem die gesamte Restauration be- troffen ist, wenn die fragliche Restaura- tion multiple Defekte aufweist, wenn Bruxismus die Ursache des Defekts ist oder wenn voraussichtlich keine zu- friedenstellenden Approximalkontakte hergestellt werden können [Franken- berger, 2012]. Darüber hinaus gibt es weitere Entscheidungskriterien. \ Die Defektgröße stellte in einer Umfrage unter deutschen Zahn- ärzten mit gut 90 Prozent den wichtigsten Faktor bei der Entscheidungsfindung dar [Kanzow et al., 2017]. Grundsätzlich gilt: Je größer der Defekt und damit die Ausdehnung der Reparatur- restauration, desto höher die An- forderungen an die Festigkeit und Beständigkeit der Haftverbunds. \ Die Art der Primärrestauration war in der genannten Studie mit gut 80 Prozent das zweitwichtigste Entscheidungskriterium. Dass Kompositfüllungen von allen Restaurationen mit Abstand am häufigsten repariert werden, liegt vermutlich an der relativ unkom- plizierten Durchführung (siehe unten), bedingt durch die Gleich- artigkeit von Primär- und Reparatur- material. Deutlich seltener werden Reparaturen an Amalgamfüllungen und anderen Metallrestaurationen sowie an Keramikrestaurationen und Kronen durchgeführt. Diese Zurückhaltung könnte in Unsicher- heiten bezüglich der Vorbehand- lung des jeweiligen Werkstoffs begründet sein. Der zweite Teil dieses Beitrags (zm 4/2020) wird sich daher ausführlich mit den werkstoffspezifischen Vorbehand- lungen bei der Reparatur indirekter Restaurationen beschäftigen. \ Die Art der beteiligten Substrate bestimmt die Arbeitsschritte im Rahmen der Adhäsivtechnik. Ent- scheidend ist, ob an der Reparatur außer dem Restaurationsmaterial auch Zahnsubstanz beteiligt ist. In diesem Fall ist sicherzustellen, dass die Schmelz- und Dentin- haftung durch die Vorbehandlung der Primärrestauration nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. \ Einfluss auf die Therapieentschei- dung hat auch die Ursache für den Reparaturbedarf. Die Indikation für Reparaturen wird häufiger auf- grund von Frakturen der Zahnhart- substanz oder der Restauration gestellt als aufgrund von Sekundär- karies [Kanzow et al., 2017]. Dabei haben Reparaturen aufgrund von Sekundärkaries eine bessere Progno- se als Reparaturen aufgrund von Frakturen [Opdam et al., 2012]. \ Die Lage des Defekts ist zunächst ausschlaggebend dafür, ob die gesamte Reparaturprozedur ein- schließlich Exkavation, adhäsiver Vorbehandlung und Applikation, Aushärtung und Ausarbeitung des Reparaturkomposits überhaupt machbar ist. Sie bestimmt darüber hinaus, wie stark die Reparatur- restauration durch Kaukräfte be- lastet wird (okklusale Inlayränder versus bukkale oder linguale Teil- kronenränder). Trotzdem nannten nur gut 50 Prozent der befragten Zahnärzte die Lage des Defekts als Entscheidungskriterium [Kanzow et al., 2017]. Sind an der Reparatur- stelle auch Schmelz und Dentin be- teiligt, stellt sich die Frage, ob die Fotos: Bernd Haller Abb. 2: Günstiges Aufwand-Nutzen-Verhältnis: Erhalt eines sehr ausgedehnten Goldinlays mit mäßigem Aufwand bei sehr guter Langzeitprognose: a: Zustand nach Eröffnung des okklusalen Randdefekts und Kariesexkavation. b: fertige Reparaturfüllung. a b

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