Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 110, Nr. 3, 1.2.2020, (178) N ach dem Konzept minimal- invasiver Zahnerhaltung ist eine Füllungsreparatur von partiell defekten Füllungen sinnvoll – auch im Hinblick auf die entstehenden Kosten [Kanzow et al., 2016]. Die mitt- leren jährlichen Verlustraten für Kom- positfüllungen liegen retrospektiven Studien zufolge über einen Zeitraum von zehn Jahren im Frontzahnbereich bei 3,1 Prozent [van de Sande et al., 2018] und bei Seitenzähnen bei 4,1 Prozent [Casagrande et al., 2017]. Mit Reparaturen lassen sich die Über- lebensraten von Füllungen verbessern. Zum Beispiel reduzierte sich die mittlere jährliche Verlustrate von seitlichen Kompositfüllungen in einer Zwölf- Jahres-Beobachtung von 1,8 auf 0,7 Prozent [Opdam et al., 2012]. FRAGESTELLUNG Für Patienten wie für Zahnärzte ist es allerdings nicht nur wichtig, Kompo- sitfüllungen mit partiellen Defekten mittels einer Reparatur guten Gewis- sens länger in situ belassen zu können. Interessant wäre es auch zu wissen, ob die reparierte Füllung genauso lange gut funktioniert, als hätte der Zahnarzt sie komplett ausgetauscht. Für die vor- liegende retrospektive Studie Göttinger ForscherInnen lagen zwei Hypothesen zugrunde: 1. Reparaturen können das Überleben einer Füllung in situ verlängern. 2. Die Langlebigkeit von reparierten und ausgetauschten Füllungen unterscheidet sich nicht. MATERIAL UND METHODE Insgesamt wurden für die Studie 8.542 Kompositfüllungen nachverfolgt, die bei 3.239 PatientInnen zwischen 2000 und 2015 gelegt worden waren. Die Füllungen waren mindestens zwei-, maximal fünfflächig. Die Daten gene- rierten die ForscherInnen anhand der digitalen Patientenakten und den dort enthaltenen Gebüh- renpositionen. Für die Beurteilung des Behand- lungserfolgs wurden bei den betrachteten Origi- nalfüllungen, aber auch separat bei den bereits ein- mal reparierten Füllungen und den zwischenzeitlich notwendig gewordenen neu angefertigten Füllun- gen drei verschiedene Definitionen zu- grunde gelegt und die Ergebnisse mit- einander verglichen: \ Erfolg: Restauration ohne weitere Behandlung im betrachteten Zeit- raum. Eine Reparatur wurde bei diesem Kriterium als Misserfolg gewertet. \ Überleben 1: Restauration, die maximal einmal repariert werden durfte, um noch als klinisch akzeptabel zu gelten. Eine weitere Reparatur galt den Forschern als ein Misserfolg. \ Überleben 2: Restauration, die gegebenenfalls auch mehrmals repariert werden durfte. Sobald alle Flächen der entsprechenden Füllung repariert wurden, wurde dies als Misserfolg eingestuft. Ein genereller Misserfolg war der Füllungsaustausch zugunsten einer indirekten Restauration, eine endodon- tische Behandlung oder die Extraktion des Zahns. Im Wesentlichen schließt diese Wertung an das übliche klinische Vorgehen in der Patientenbehandlung an und würde der Bewertung durch Zahnärzte entsprechen, die entweder nie reparieren (Erfolg), Kompositfül- lungen maximal einmal reparieren (Überleben 1) oder Kompositfüllungen immer wieder reparieren (Überleben 2). ERGEBNISSE Die kumulative Überlebensrate der untersuchten Originalfüllungen betrug über zehn Jahre 68,3 Prozent. Wurden die Füllungen repariert, konnte ihre Lebenszeit signifikant verbessert wer- den: Mit einer Reparatur überlebten bereits 77,1 Prozent und mit zwei oder mehr Reparaturen betrug die kumu- lative Überlebensrate über zehn Jahre sogar 80,4 Prozent. Von den Originalfüllungen wurden 616 Füllungen repariert sowie 264 aus- getauscht und von den Studienautoren nachuntersucht. Über zehn Jahre be- trug die kumulative Überlebensrate der reparierten Füllungen 43,4 Prozent. Weitere Reparaturen verlängerten auch hier das Überleben der Füllungen auf 65,7 (eine Reparatur, Überleben 1) oder auf 74,8 Prozent (mehrere Repara- turen, Überleben 2) über einen Zehn- Jahres-Zeitraum. Foto: AdobeStock_Chris Abb. 1: Können Reparaturen den klinischen Verbleib einer Kompositfüllung verlängern?. AUS DER WISSENSCHAFT Füllungen reparieren statt austauschen! Kerstin Albrecht Lohnt es sich, Kompositfüllungen beim Auftreten von Defekten zu reparieren oder sollten Zahnärzte sie besser komplett austauschen? Göttinger Wissen- schaftler untersuchten die Langlebigkeit von Kompositfüllungen im Front- und im Seitenzahnbereich. 56 | ZAHNMEDIZIN
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