Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 110, Nr. 3, 1.2.2020, (130) 08 | LESERFORUM DENTAL-INDUSTRIE WIR ZAHNÄRZTE FÜHLEN UNS ÜBER DEN TISCH GEZOGEN Zum Beitrag „Zukunftskongress: Start-up Zahnarztpraxis – die Gründung im Fokus“, zm 23-24/2019, S. 26–28. Als Zahnarzt hat man ja heute des Häufigeren das Gefühl von seinen diversen Industrie“partnern“ etwas über den Tisch gezogen zu werden. Aber da wir wenig Ahnung von den meisten Themen haben (und meistens auch nicht haben wollen), fällt es uns nicht wirklich auf oder wir ignorieren es. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Kostensteigerungen in diesem Land, der gleichzeitigen Stagnation unserer Punktwerte (Stichwort: GOZ) sowie der Anspruchshaltung vieler Patienten bezüglich einer kostenfreien Rundum- versorgung ist es aber ein zunehmendes Ärgernis. Meine Praxisgründung liegt noch nicht lange zurück und die von Prof. Benz beschriebenen „Zehn Schritte, eine Praxis zu ruinieren“ haben mich ermuntert, einmal darüber zu berichten, wie unsere IT-Unwissenheit seitens der Industrie ausgenutzt wird. Club-Mitgliedschaft – wofür eigentlich? Ich habe in 2017 für eine knapp sechsstellige Summe ein namhaftes CAD/CAM-System gekauft. Dazu wurde mir dringend eine Mitgliedschaft im firmeneigenen „Club“ angeraten, zum Preis von brutto knapp 6.400 Euro in drei Jahren. Dafür wäre ich dann aber ohne weitere Kosten in der gesamten Zeit immer auf dem neuesten Stand – was Softwareupgrades und Lizenzen angeht. Habe ich natürlich gemacht. Jetzt kam vor ein paar Wochen endlich die Lizenz für die neue 5.1-Software-Version. Der erste echte Fort- schritt, seit ich das System vor 2,5 Jahren erworben habe. Dazwischen kamen nur Detailverbesserungen mit den Ver- sionen 4.5 und 4.6. Die Ernüchterung kam aber umgehend, denn ich benötige für die im Club enthaltene neue Software- version ein „Performance Package“, das „leider“ nicht im Club enthalten ist. Denn, so die Begründung des Herstellers, die Hardware meines Rechners reiche leistungsmäßig nicht mehr für ein flüssiges Laufen der neuen Software aus. Gut, das kann ich nachvollziehen und habe mir ein Angebot von meinem Depot machen lassen. Und hier beginnt der anscheinend übliche dentale Abzocke- Wahnwitz. Der Hersteller will 1.011 Euro für das „Perfor- mance Package“, dazu der Depottechniker noch mal über 1.100 Euro für vorgesehene sechs Stunden Arbeitszeit. Nun sollte man wissen, woraus dieses „Performance Package“ besteht: zwei Riegel Arbeitsspeicher, eine SSD-Festplatte und Windows 10 laut der Hersteller-Homepage. Der Arbeitsspeicher und die SSD kosten bei Amazon ca. 200 Euro brutto. Windows 10 gibt es kostenlos von Microsoft, weil auf der Scaneinheit schon eine Windows-7-Lizenz läuft. Dafür verlangt die Firma ernsthaft über 1.000 Euro. Das macht eine Gewinnspanne von erquicklichen 80 %, nicht eingerechnet, dass Großkonzerne sicherlich bessere Konditionen für die Hardware bekommen als wir Endnutzer. Warum eine neue SSD-Festplatte eingebaut werden soll, obwohl bereits eine große SSD-Festplatte in meiner Scan- einheit verbaut ist – die kaum zu 30 % gefüllt ist –, ver- wundert mich doch etwas. Zudem frage ich mich, was ein Techniker fast einen ganzen Arbeitstag an dem Scanner arbeiten will. Arbeitsspeicher und Festplatte lassen sich in 30 Minuten problemlos einbauen. Das Beobachten von wachsenden Ladebalken während der anschließenden Windows-Installation dürfte 90 min kaum übersteigen. Und dafür sechs Arbeitsstunden? Selber machen ist nicht Niemand sollte jetzt allerdings auf die Idee kommen zu denken, dass man diese technisch simple Umrüstung selbst erledigen könnte! Denn der Hersteller hat dem „Perfor- mance Package“ nämlich noch etwas Kleingedrucktes hinzugefügt: eine sogenannte „Basislizenz“. Diese tut nichts weiter als sicherzustellen, dass auf jeden Fall dieses aus meiner Sicht erheblich überteuerte Paket gekauft werden muss, um die neue Softwareversion installieren zu können. Wie soll man das nennen? Ich investiere erhebliche Sum- men für Scanner, Fräse, Teile, Inspektionen und den Club. Und wenn dann nach Jahren doch einmal eine wirkliche Weiterentwicklung veröffentlicht wird, folgt der nächste Kostenschub auf dem Fuße. Partnerschaft geht aus meiner Sicht anders. Ich bin kein Sparbrötchen. Guter Service ist mir wichtig. Gutes Geld für gute Arbeit. Es soll sich niemand wundern, wenn sich Industrie- und Depotmarkt immer weiter verengen. Dr. Michael Kann, Wiesbaden Leserforum Foto: stock.adobel.com

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