Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 110, Nr. 3, 1.2.2020, (209) In der durchgeführten OPG-Aufnahme zeigte sich bei mäßiger Aufnahme- qualität ein konservativ, prothetisch und chirurgisch versorgtes Restgebiss (Abbildung 1) ohne Aufhellungen oder Verschattungen. Nebenbefundlich fand sich ein impaktierter und dystoper Zahn 38. In der Sonografie zeigte sich eine 13 mm × 6 mm × 7 mm große, gut ab- grenzbare Raumforderung ohne dorsale Schallverstärkung. Die Patientin wurde daraufhin zur weiteren Abklärung im Intervall stationär aufgenommen. Die Labordiagnostik ergab unauffällige Befunde im Blutbild, der klinischen Chemie und Gerinnung. In der MRT- Bildgebung konnte eine 12 mm × 7 mm × 7 mm große, kontrastmittelaufneh- mende Raumforderung paramandibulär links nachgewiesen werden (Abbil- dung 2). Insgesamt bestand somit die Indikation zur operativen Revision. Diese wurde über einen intraoralen Zugang mit einer paramarginalen Schnittführung regio 32–35 durchge- führt. Nach Detektion und Sicherung des Nervus mentalis sowie Inzision des Periosts erfolgte die Darstellung und Präparation der knotigen Raum- forderung (Abbildung 3). Diese stellte sich gelb-gräulich dar und ließ sich vom Gewebe nur schwer abgrenzen. Daraufhin erfolgten die Resektion (Abbildung 4) unter Facialismonitoring sowie die primär plastische Rekon- struktion. Die histologische Aufarbeitung zeigte Infiltrate konfluierender Mikrogranulome aus Epitheloidzellen und einzelnen Langerhans´schen Riesenzellen. Zudem fanden sich lymphatische Infiltrate mit prädominanten T-Zellen (CD3) und nur wenigen CD20-positiven Zel- len. Verkäsende Nekrosen oder doppel- brechendes Fremdmaterial konnten nicht nachgewiesen werden. Ebenfalls kamen keine Pilze in der PAS-Reaktion zur Darstellung. Somit ergab sich kein Anhalt für Dysplasie oder Malignität. Insgesamt wurde nach Rücksprache mit dem Pathologen der Verdacht auf eine Sarkoidose geäußert, differenzial- diagnostisch kamen eine Tuberkulose, das Melkersson-Rosenthal-Syndrom sowie eine Fremdkörperreaktion in Betracht. In der molekularpathologischen Be- gutachtung konnte eine Tuberkulose ausgeschlossen werden. Das ACE (Angiotensin-Converting Enzyme) war in der anschließenden endokrino- logischen Begutachtung erhöht. In der CT-Thorax bestätigte sich schließlich der Verdacht auf eine pulmonale Mit- beteiligung der Sarkoidose Stadium I mit hilärer Lymphknotenbeteiligung ohne intrapulmonale Komponente. Die Patientin wurde daraufhin in ein Lungenfachzentrum überwiesen. Aufgrund der fehlenden Symptomatik entschied man sich dort zunächst für ein abwartendes, konservatives Prozedere. Im weiteren Verlauf erfolgte bei narbig verzogenem Vestibulum im Bereich der Unterlippe eine Lösung der funktions- behindernden Narben mit Vestibulum- plastik mittels Mundschleimhaut- transplantat. Nach unproblematischer Einheilung zeigte sich die Patientin zwölf Monate postoperativ beschwerde- frei bei reizlosen intraoralen Verhält- nissen und regelrechtem Neurostatus. DISKUSSION Die vorliegende Kasuistik zeigt exem- plarisch die schwierige Diagnose- stellung bei seltenen Erkrankungen mit einer Manifestation in der Mund- höhle. Trotz zweifacher Gewinnung von repräsentativen Gewebeproben war die Erkrankung der Patientin auf- grund der multiplen Differenzial- diagnosen erst interdisziplinär durch die Zusammenarbeit des Chirurgen, Pathologen, Labormediziners, Radio- logen und Pneumologen festzustellen. Wegweisend war zunächst einmal die histopathologische Darstellung von Abb. 2: OPG mit konservativ, prothetisch und chirurgisch versorgtem Restgebiss ohne Pathologien regio 33–35 Abb. 1: MRT-Aufnahme (koronal; T1-Wichtung) mit Darstellung einer paramandibulären Raumforderung (Pfeil) Foto: Baum Foto: Baum DR. DAVID KREUZIGER Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Essen Kliniken Essen-Mitte Henricistr. 92, 45136 Essen Foto: privat ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. | 87
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=