Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04
zm 110, Nr. 4, 16.2.2020, (302) ZM-SERIE: TÄTER UND VERFOLGTE IM „DRITTEN REICH“ Heinrich Fabian – ein Nationalsozialist macht in der BRD Karriere Dominik Groß Heinrich Fabian (1889–1970) stand lange nicht im Fokus der Aufarbeitungsliteratur. Sein Lebenslauf zeigt die allge- meine Bereitschaft zur Reintegration auch hochgradig belasteter Nationalsozialisten in der frühen Bundesrepublik. 2017 wurde bekannt, dass er eine große Sammlung sterblicher Überreste teils unbekannter Herkunft angelegt hatte – was zu einer intensiven Debatte um den adäquaten Umgang mit „human remains“ führte. F abian wurde am 28. November 1889 in Flensburg geboren. 1–5 Seinem Vater gehörte ein Bauge- schäft, Fabian entschied sich jedoch für den Beruf des Zahnarztes: 1911 legte er die zahnärztliche Prüfung und Approbation ab, 1913 erfolgte seine Promotion zum Dr. phil. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Promo- tionsmöglichkeit im eigenen Fach – der Dr. med. dent. wurde erst 1919 ein- geführt. Im Frühjahr 1919 wurde Fabian dann Hilfslehrer für Zahnheilkunde am Zahnärztlichen Institut der Uni- versität Marburg bei Guido Fischer, wo er für die konservierende Zahn- heilkunde verantwortlich war. 6 Im Oktober 1919 – nach dem Weggang von Fischer nach Hamburg – wurde ihm die kommissarische zahnärztliche Leitung des Marburger Instituts übertragen; nahezu zeitgleich konnte er sich zum Thema Funktions- störungen der Kiefermuskulatur bei Schussverletzungen habilitieren. 1920 wurde er in Marburg zum Privat- dozenten ernannt. Im selben Jahr noch wechselte Fabian an das Zahnärztliche Institut der Uni- versität Hamburg – zu Fischer 1–3, 7 . 1921 konnte er dort mit einer Studie zur Frage der Kieferöffnungsbewegung beim Menschen eine Zweitpromotion zum Dr. med. dent. abschließen. 8 1924 wurde er zum Leiter der Konservieren- den Abteilung des Hamburger Zahn- ärztlichen Instituts bestimmt – eine Funktion, die er bis 1945 ausüben sollte. Seit 1927 durfte er den Titel Professor führen („Titularprofessor“), 1931 wurde er dann zum nicht- beamteten außerordentlichen Profes- sor berufen. Die nächsten Karrierestationen fielen in die Zeit des Nationalsozialismus: 1939 wurde Fabian – infolge des Todes des damaligen Klinikleiters Eduard Precht – kommissarischer Klinikdirek- tor; besagte Position hatte er bis zur Berufung Hans Pflügers (Ende 1941) inne. Nur ein Jahr später – 1940 – arrivierte er zum planmäßigen außer- ordentlichen Professor. Damit wurde ihm eine etatmäßige Stelle zuerkannt. Wie aber war Fabians Verhältnis zum Nationalsozialismus und wie stellte er sich zu den neuen Machthabern? Die Antwort fällt eindeutig aus: Fabian war ein glühender Anhänger des NS-Regimes – wenngleich er lange nicht im Fokus der Aufarbeitungs- literatur stand. 9-10 Er trat nur wenige Monate nach Hitlers Machtübernahme in die NSDAP ein (Aufnahme 1.5.1933; Nr. 1.863.819). 11-12 Auch der SS trat er bereits 1933 bei. Zudem wurde er Mitglied im NS-Ärztebund, im NS-Dozentenbund und im NS-Lehrer- bund. Fabian gehörte überdies 1933 zum Kreis der 38 zahnärztlichen Hochschullehrer, die sich nach Hitlers Machtübernahme in einer Ent- schließung zur „Einheitsfront der Zahnärzte“ und zur „völligen Anerkennung einer einheitlichen Führung und des Autoritätsprinzips“ bekannten. 13 Archivquellen zufolge galt Fabian als überzeugter Parteigänger, der schon vor seinem Eintritt in die NSDAP „auf dem Boden des Nationalsozialismus“ stand. 4, 14 Er diskriminierte nicht nur jüdische Mitbürger und Kollegen, sondern beteiligte sich auch an inner- parteilichen Intrigen – ein Phänomen, das innerhalb der NSDAP besonders häufig auftrat und Ausdruck partei- interner Machtkämpfe und eines ver- breiteten Karrierestrebens war: Eine solche parteipolitische Intrige richtete sich gegen seinen Vorgesetzten Guido Fischer. Dieser hatte Fabian 1920 ge- zielt aus Marburg nachgeholt und ihm seine einzige Abteilungsleiterstelle über- tragen; er galt wie Fabian als früher und glühender Nationalsozialist und hat sich selbst bereits seit etwa 1927 als „stillen Kämpfer der Nat.Soz.Partei Gau Hamburg“ verstanden. 15 Dement- Foto: Stoma 23(2) (1970) Heinrich Fabian 1 Heuser, 1970;23:130; 2 Franke, 1970:198; 3 van den Bussche, 2014; 4 Guhl, 2018, 241–252; 5 Groß, 2020; 6 Michel, 1959, insb. 42; 7 Hausser, 1982;41:153–161; 8 Fabian, 1921; 9 Schwanke/Krischel/Gross, 2016;51:2–39; 10 Groß, 2019, 157–174; 11 BA Berlin, R 9361-IX/8651254 (P) sowie /8230546; 12 Klee, 2003, 143; 13 Die Einheitsfront der Zahnärzte einschließlich Dozentenschaft, Zahnarztl Mitt 1933;24(27):728 14 StA Hamburg, 361–6 IV 1211, Bl. 3; 15 BA Berlin, R 9361-II/238862; 72 | GESELLSCHAFT
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