Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 110, Nr. 4, 16.2.2020, (303) sprechend war Fischer 1932 – nach Lockerung der damaligen Beamten- bestimmungen – noch vor der Macht- übernahme Hitlers –„als erster plan- mäßiger Professor der Medizinischen Fakultät“ der Universität Hamburg 16 der NSDAP beigetreten. 17 1933 wurde Fabian – unterstützt von zwei Kollegen und Parteigenossen – zum Drahtzieher einer NS-internen Kampagne. Er warf Fischer politische Unzuverlässigkeit und Zweckentfrem- dung von Institutsmitteln vor – mit Er- folg: 1934 wurde Fischer aus der Partei ausgeschlossen und zwangsemeritiert. Notgedrungen ließ er sich als Zahnarzt in München nieder. 1936 wurde Fabian dann selbst mit parteiinternen Vorwürfen konfrontiert: Er war offenbar entgegen der Partei- maxime in der Evangelischen Kirche aktiv gewesen und hatte sich zeitweise im Führerrat der (durchaus rassistisch orientierten) Deutschen Christen Ham- burgs engagiert. So kam es zur Einlei- tung eines Ausschlussverfahrens aus der SS. Da sich Fabian jedoch beeilte, sein Kirchenamt niederzulegen, wurde das Verfahren Anfang 1940 eingestellt und Fabian, wie erwähnt, zum plan- mäßigen Extraordinarius befördert. 3,4 OHNE ZWANG TRAT ER IN DIE SS EIN Fabians gleichaltriger jüdischer Kollege Hans Türkheim erlebte 1933 dessen aggressives – und zudem dezidiert anti- semitisches – Auftreten besonders deutlich: Türkheim hatte 1927 die Lei- tung der Prothetischen Abteilung des Hamburger Zahnärztlichen Instituts übernommen und war 1931 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor befördert worden. Er wurde jedoch aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1933 gleichsam über Nacht entlassen, stand vor dem Nichts und emigrierte nach Großbritannien. 16 Nach Kriegsende kehrte Türkheim für einen Besuch nach Hamburg zurück, stieß dort zufällig mit Fabian zusam- men und kommentierte dessen Rolle im „Dritten Reich“ wie folgt: „Dieser Mann war schon in die SS Reiter- standarte eingetreten, als noch keiner- lei Zwang vorlag. Er war ein ideeller Nazi und wir waren immer die schaerfsten Gegner, wenn wir uns auch nie politisch unterhalten haben. Ich legte auf eine Wiedersehensfreude nicht den geringsten Wert und hatte schon gehofft in den sicheren Hafen des Hoersaales einlaufen zu koennen, als jemand hinter mir herlief und mich anredete: Guten Tag Herr Kollege Türkheim, – und mir seine teutsche Hand ausstreckte. Ich konnte [...] nicht anders als negativ reagieren. Ich war in diesem Moment ausserordentlich englisch und des Haendeschuettelns voellig entwoehnt. ‚ Wie, sagte er, Sie wollen mir nicht die Hand geben, ich habe Ihnen nichts zuleide getan.‘ Ich entgegnete nur, dass es keinen Zweck haette, dass wir uns unterhielten und ging in den Hoersaal [...]“. 18 Während Türkheim nach England ge- flohen war, hatte Fabian seine Karriere ausbauen können – bis 1945 das „Dritte Reich“ zusammenbrach. Fabian wurde im August 1945 von den ver- antwortlichen Allierten entlassen und nachfolgend vorübergehend interniert. Im Oktober 1945 legte seine Ehefrau Einspruch gegen dieses Vorgehen ein – doch der Entnazifizierungsausschuss der Hamburger Fakultät „empfahl knapp ein Jahr später, den Einspruch abzulehnen“ und befand Fabian als Arzt für „nicht mehr tragbar“. 4 Im De- zember 1946 verbot die Besatzungs- macht eine Lehrtätigkeit sowie eine Tätigkeit im Krankenhaus, erlaubte aber eine Zulassung zur Praxis. Fabian gab sich damit allerdings nicht zufrie- den und reagierte mit Wiederaufnahme- anträgen, die auf eine weitergehende Rehabilitierung abzielten. Dabei machte er unter anderem sein kirchliches Engagement geltend und benannte Personen, die (fälschlicherweise) be- zeugten, dass er sich trotz Einfluss- nahme der SS geweigert habe, sein Amt in der Kirche aufzugeben. 4 Doch seine Hartnäckigkeit brachte den erstrebten Erfolg: Während ein Wie- deraufnahmeantrag im Mai 1948 noch scheiterte, kam ein weiterer Antrag im Mai 1949 durch: Die neuerliche Über- prüfung hatte ergeben, dass Fabian dem NS-Regime „einen starken Wider- stand entgegengesetzt“ habe. Daher sei letztlich „seine Einstufung in Kategorie V unter Aufhebung jeglicher Berufs- beschränkung geboten“ – damit galt Fabian als politisch „entlastet“. 4 Noch im selben Jahr kam es zur Wieder- einstellung an der Universität Ham- burg. Fabian hatte es geschafft: Er durfte erneut als Professor und Leiter der Abteilung für Konservierende Zahnheilkunde wirken. Der gleichaltrige Türkheim dagegen hatte erneut das Nachsehen: „Als dessen Anwalt 1951 fragte, ob eine Wiederbeschäfti- gung in Hamburg möglich sei, lehnte Schuchardt dies mit dem Hinweis auf Türkheims Alter ab, obwohl kurz zuvor ein planmäßiges Extraordinariat für Prothetik geschaffen worden war, für das Türkheim fachlich infrage kam.“ 4 Fabian wurde 1958 im Alter von 68 Jahren emeritiert. Er verstarb am 6. Januar 1970 in Hamburg. 1–5 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch auf Fabians wissenschaft- liche Aktivitäten eingegangen: Seine Forschungsschwerpunkte waren die konservierende Zahnheilkunde, das Themenfeld Kiefergelenk und Artiku- lation sowie Goldgussfüllungen. Be- deutende Werke hinterließ er nicht – am ehesten erwähnenswert sind die Schriften „Studien zur Kaufunktion“ (1925), „Spezielle Anatomie des Gebisses“ (1928), „Goldgussfüllungen in Bild und Spiegelbild“ (1930) sowie „Merk- male und Grenzen in der Domestika- tionsfrage am Gebiß“ (1933). 19–22 Hans Heuser notierte in seinem Nachruf auf Fabian zu Recht, dass dieser als Hoch- schullehrer „nach außen hin kaum [...] 16 Hohmann, 2009; 17 Groß, 2018a;108(6):100–101; 18 Türkheim, 2003, 186–198, hier 194; 19 Fabian, 1925; 20 Fabian, 1928; 21 Fabian, 1930; 22 Fabian, 1933 PROF. DR. DR. DR. DOMINIK GROß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen Klinisches Ethik-Komitee des Universitätsklinikums Aachen MTI 2, Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de | 73

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