Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 110, Nr. 4, 16.2.2020, (238) NS-FORSCHUNGSPROJEKT DAS WISSEN DARUM IST SEIT 35 JAHREN BEKANNT Zu den Beiträgen „Vorstellung des NS-Forschungs- projekts in Berlin: Wir Zahnärzte haben versagt“, „zm-Serie zum NS-Forschungsprojekt: Zahnärzte als Täter und Verfolgte im ‚Dritten Reich‘“ und „zm-Serie: Täter und verfolgte im ‚Dritten Reich‘“, zm 1/2 2020, S. 24–34. ANTWORT VON DR. WOLFGANG EßER, VORSITZENDER DES VORSTANDS DER KZBV Lange im Ruhestand, interessiert mich die Standes- und Berufspolitik nur noch sehr am Rande. Es bringt mich aber auch nach diesen vielen Jahren noch auf, wenn sich die bundesdeutsche Zahnärzteschaft und Herr Eßer als einer ihrer obersten Exponenten aktuell als die Saubermänner des Berufsstandes darstellen, denen es ein tieferes inneres Anliegen gewesen zu sein scheint, endlich mal Licht ins braune Dunkel der Zahnärzteschaft im Nationalsozialismus gebracht zu haben. Als die Vereinigung Demokratische Zahnmedizin e.V., VDZM, und einzelne ihrer Mitglieder (Kirchhoff, Guggenbichler) bereits 1983 mit dem Sonderheft „der artikulator“ „Zahnmedizin im Faschismus“ damit begannen und es über diverse folgende Publikationen in den 80er-Jahrenfortsetzten, die große Nähe weiter Teile des Berufsstands zum faschistischen Unrechtsstaat öffentlich zu machen, die verfolgte jüdische Kollegenschaft namhaft zu machen und gegen zahnmedizinische Preisverleihungen im Namen ausgewiesener Nazis zu protestieren, war das für die standespolitischen Meinungsführer „Nest- beschmutzung“. Dankenswerterweise würdigen wenigstens die an dem aktuellen Forschungsprojekt beteiligten Wissen- schaftler die Rolle der VDZM und ihrer Mitglieder als wichtige Chronisten. In den Jahren, als sich die VDZM dieser gesellschaftlichen Aufarbeitung widmete, waren die zahnärztlichen Standes- politiker ausschließlich damit beschäftigt, ihr ökonomisches Auskommen zu optimieren. Gerade in Nordrhein brachte dieser ,,Kampf“ ganz besondere Blüten hervor, starteten doch ihre Protagonisten z. B. eine Kampagne, sich ob ihrer Unterdrückung durch die Politik in Analogie zum gelben Stern der Juden in Nazideutschland ein gelbes „Z“ ans Revers zu stecken. Im aktuellen Rheinischen Zahnärzteblatt wird der geschätzte Kollege Dr. Eßer mit dem Satz zitiert: „Das heutige Wissen um die Rolle der Zahnärzteschaft im ‚Dritten Reich‘ und das Ausmaß der Verstrickung in das NS Regime sind bedrückend, es schmerzt und es beschämt!“ Der Satz ehrt ihn, auch wenn das heutige Wissen, wie darge- legt, kein heutiges Wissen ist, sondern in seinen zentralen Inhalten seit mindestens 35 Jahre bekannt ist. Ein paar Worte der Selbstkritik, warum der Auftrag für ein derartiges Forschungsprojekt so lange auf sich warten ließ, würden den zahnärztlichen Körperschaften gut zu Gesicht stehen. Dr. Jochen Brückmann, Bonn LIEBER SPÄT ALS NIE! Sehr geehrter Herr Kollege Brückmann, Gerne möchte ich Ihnen zumindest kurz antworten. Zunächst möchte ich bemerken, dass ich auch in meiner Funktion als amtierender Vorsitzender des Vorstandes der KZBV nicht für Versäumnisse des Berufsstandes oder dessen Standesführung verantwortlich bin, die vor meiner aktiven Zeit begangen wurden. Auch liegt es mir völlig fern, mich – wie Sie es unterstellen – als Saubermann präsentieren zu wollen. Vielmehr teile ich Ihre Einschätzung, dass das damalige Wegducken der standespolitischen Protagonisten vor ihrer Verantwortung ein großer Fehler war, der sich gerade auch aus heutiger Sicht als nicht entschuldbar darstellt. Soweit Sie die Möglichkeit haben, die ausführlichen Bericht- erstattungen zu dem von mir mitinitiierten Forschungsprojekt und die diesbezügliche Pressekonferenz sowie zu der am Vortag stattgefunden Preisverleihung des Herbert-Lewin- Preises durch mich nachzuverfolgen, werden Sie feststellen, Leserforum Foto: pictworks – stock.adobe.com

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