Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

zm 110, Nr. 5, 1.3.2020, (380) ZAHNÄRZTIN KLAGT GEGEN HERSTELLER Wie gefährlich ist Titandioxid in Cerec- Mattierungspulvern? Es begann bei ihr mit chronischem Husten, 2018 folgte die Diagnose Krebs. Eine Zahnärztin vermutet als Ursache ihrer Erkrankung das Titandioxid-haltige Cerec-Pulver, dessen Nanopartikel sie jahrelang eingeatmet hat – und klagt gegen den Hersteller. Vor Gericht wird aktuell ein Sachver- ständigengutachten geprüft, das das mögliche Risiko bewertet. Der verdächtigte Inhaltsstoff bleibt – wenngleich in wenigen Produkten – weiter auf dem Markt. A ls sie die Diagnose bekommt, ist für Zahnärztin Julia Hasel klar, dass ihre Krankheit durch das Mattie- rungspulver Vita Cerec Powder ausgelöst wurde, das sie jahrelang bei jeder optischen Abformung eingeatmet hat. So berichtete die Wochenzeitung DIE ZEIT Ende Dezember über das laufende Verfahren am Landgericht München. Heute praktiziert Hasel, die eigentlich anders heißt, nicht mehr. Sie hat ihre Praxis im Herbst vergangenen Jahres aus gesundheitlichen Gründen verkaufen müssen. Stattdessen versucht die Anfang 40-Jährige vor dem Landgericht nun das nahezu Unmögliche: Sie will beweisen, dass der Inhalts- stoff eines zugelassenen Medizinprodukts bei ihr Morbus Waldenström, eine seltene Krebserkrankung des Lymphge- webes, ausgelöst hat. Sollte ihr das gelingen, hätte das weitreichende Folgen für Zahnärzte weltweit. Schätzungsweise sind allein in Deutsch- land Tausende Cerec-Geräte jener Generation auf dem Markt, die den Einsatz genau jener Mattierungspulver oder -Sprays noch nötig machen, um bei der optischen Abformung Artefakte zu reduzieren. SIE VERBRAUCHTE 66 DIESER FLASCHEN Behandler, die diese Produkte einsetzen, haben wahrschein- lich jahrelang ein Titandioxid-haltiges Mattierungspulver oder -Spray verwendet. Oder tun es noch immer. Das Vita Cerec Powder, das Gegenstand des aktuellen Verfahrens ist, kam 2006 auf den Markt. Laut Hersteller sind insgesamt 307.602 Flaschen zu jeweils 12 Gramm verkauft worden. Wahrscheinlich sind Hunderttausende PatientInnen und Tausende ZahnärztInnen mit dem Puder mehrfach in Kon- takt gekommen. Allein Hasel hat in ihrem kurzem Berufs- leben 66 dieser Flaschen verbraucht. VERGLEICHBARE PRODUKTE WURDEN JEDOCH NICHT ZURÜCKGERUFEN Am 16. März 2018 – fünf Monate nachdem Hasel das Pro- dukt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin- produkte (BfArM) gemeldet hatte – startete der Hersteller Vita Zahnfabrik eine freiwillige Rückrufaktion, „um jede, auch noch so geringe Gefährdung von Patienten und Anwendern auszuschließen“, wie es hieß. Vergleichbare Produkte ande- rer Hersteller wie etwa Sirona Cerec Optispray oder Dentaco scan‘spray black+white enthalten ebenfalls Titandioxid, wurden jedoch nicht zurückgerufen. Auch das 3M High-Re- solution Scanning Spray oder weiterhin erhältliche extrao- rale Mattierungsprays sind Titandioxid-haltig. Dass eingeatmete Nanopartikel bis in die kleinsten Lungen- gefäße eindringen, sich dort ablagern und über die Blut- bahn im gesamten Körper verteilen können, ist seit einiger Zeit unstrittig. Wie gefährlich in diesem Zusammenhang Titandioxid jedoch für den Menschen ist und wie groß die tatsächliche Exposition gegenüber Nanopartikelstaub bei Foto: zm Auch wenn neuere Cerec-Systeme ohne Mattierungs- pulver oder -Sprays auskommen, arbeiten geschätzt noch Tausende Zahnärzte mit der Technik, die jetzt Gegenstand eines Gerichtsverfahrens geworden ist. 14 | PRAXIS

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