Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

AUS DER WISSENSCHAFT Antidepressiva und Implantatverlust Wissenschaftler des Department of Dental Specialities der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, untersuchten die Zusammenhänge zwischen Implantatversagen und Antidepressiva, genauer: der Behandlung mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). U ntersucht wurden retrospektiv die Daten von Patienten, die zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 31. Dezember 2014 mindes- tens ein Zahnimplantat erhalten hatten. Die Patienten wurden danach unterteilt, ob sie SSRI in ihrer Vorgeschichte einge- nommen hatten, aktuell – also während der Zeit der Implantation – anwenden und/oder erst nach Einsetzen des Implantats mit einer SSRI-Anwendung begonnen haben. Zudem wurde unter- schieden, welche SSRI-Medikamente eingenommen wurden (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetine, Paroxetine, Sertraline). Gemäß dieser Einteilung wurde die Häufigkeit für Implantat- versagen analysiert. Während des Untersuchungszeitraums erhielten 5.456 Patienten ihr erstes Im- plantat (Durchschnittsalter 53 Jahre). Die mediane Follow-up-Dauer betrug 5,3 Jahre (Interquartilbereich: 2,3 bis 10,2 Jahre). Bei 4.927 Patienten kam es nicht zu einem Implantatversagen. Dem gegenüber ermittelten die Wissenschaft- lerInnen 529 Patienten mit Implantat- versagen. LANGZEITMEDIKATION HEMMT DIE KNOCHENHEILUNG In der Gruppe der Patienten mit dem SSRI Sertraline in der Vorgeschichte war ein erhöhtes Risiko für Implantat- versagen feststellbar. Das Risiko, das Implantat zu verlieren, lag in dieser Population um 60 Prozent höher. Die Einnahme von SSRI zum Zeitpunkt der Implantation oder eine SSRI-Anwen- dung nach der Implantation waren da- gegen nicht in signifikantem Maß mit einem erhöhten Risiko für Implantat- versagen verbunden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Langzeitmedikation mit SSRI die Foto: AdobeStock_Kira_Yan Antidepressiva aus der Gruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer stehen im Verdacht, das Risiko für den Verlust von Zahnimplantaten zu erhöhen. STUDIEN ZU SSRI Eine Studie von Tsapakis et al. [2012] führt aus, dass Serotonin (5-HT)-Rezeptoren in Osteoklasten-, Osteoblasten- und Osteozyten- Zelllinien identifiziert wurden. Ein Eingriff in den Serotonin-Haushalt durch SSRI hat somit eine direkte Wirkung auf die Knochenneubildung und -resorption. Die Aktivierung einer Reihe von 5-HT-Rezeptoren auf Osteoblasten und Osteoklasten scheint über endokrine, autokrine/ parakrine und neuronale Wege gesteuert zu werden. In-vitro-, In-vivo- und klinische kollektive Daten deuten darauf hin, dass SSRI in den therapeutischen Dosierungen, die in der klinischen Praxis weit verbreitet sind, eine negative Wirkung auf den Knochen haben. Bei der Anwendung von SSRI bei Patienten mit erhöhtem Sturz- und Osteoporoserisiko, vor allem älteren Menschen, ist daher möglicherweise Vorsicht geboten. Weitere Studien sind nötig, um die Rolle von SSRI bei der Knochen- bildung vollständig zu ermitteln. Eine Kohortenstudie aus dem Jahr 2014 sollte Implantatversagen im Zusammenhang mit der Anwendung von SSRI anschätzen. Sie basiert auf Daten von 490 Patienten, die von Januar 2007 bis Januar 2013 insgesamt 916 Zahnimplantate erhielten – darunter 94 Implantate bei 51 Patienten, die SSRI einnahmen: Nach 3 bis 67 Monaten der Nachsorge versagten 38 Zahn- implantate in der Gruppe der Nicht-SSRI-Nutzer, 784 waren er- folgreich. In der Gruppe der SSRI- Nutzer versagten 10 Implantate und 84 waren erfolgreich. Das primäre Ergebnis zeigte, dass die Verwendung von SSRI im Ver- gleich zu Nichtnutzern von SSRI mit einem erhöhten Risiko für das Versagen von Zahnimplantaten assoziiert war. Die Ausfallraten betrugen 4,6 Prozent für Nicht- SSRI-Nutzer und 10,6 Prozent für SSRI-Nutzer. 38 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=