Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05
Knochenheilung während der kritischen Phase der Heilung der Knochen- implantat-Grenzfläche negativ beein- flusst. Weiterhin legen die Ergebnisse nahe, dass die Einnahme mehrerer SSRI das Risiko eines Implantatversa- gens signifikant erhöht. Im Vergleich zu Patienten ohne SSRI-Anamnese hatten jene, die zwei oder mehr SSRI verwendeten, ein signifikant höheres Risiko das Implantat zu verlieren. Die vorgestellten Studien dienen der Überblicksbildung und erheben kei- nen Anspruch auf Vorständigkeit. Ihre Schwächen sind die üblichen von retrospektiven Kohortenstudien wie Recall-Bias und Stichprobenverzer- rung. Demgegenüber stehen jedoch lange Beobachtungszeiträume und große Fallzahlen der Kohorten einzel- ner SSRI-Anwenden und -Kontrollen. Hier sind weitere Studien erforderlich, um die Rolle von SSRI bei der Einhei- lung von Implantaten vollständig zu ermitteln. \ Quellen: Alan B. Carr, Ricardo L. Vidal Gonzalez, Li Jia, Christine M. Lohse: Relationship between Selective Serotonin Reuptake Inhibitors and Risk of Dental Implant Failure. Published in Journal of Prosthodontics 13 January 2019. DOI: doi.org/10.1111/jopr.13015. Wu X, Al-Abedalla K, Rastikerdar E, Abi Nader S, Daniel NG, Nicolau B, Tamimi F: Selective serotonin reuptake inhibitors and the risk of osseointegrated implant failure: a cohort study. Published in Journal of Dental Research November 2014. DOI: 10.1177 /0022034514549378 . Fernandes BS, Hodge JM, Pasco JA et al.: Effects of depression and serotonergic antidepressants on bone: mechanisms and implications for the treatment of depression. Published in Drugs Aging January 2016. DOI: 10.1007/s40266–015–0323–4. E.M. Tsapakis, Z. Gamie, G.T. Tran, S. Adshead, A. Lampard, A. Mantalaris, E. Tsiridis: The adverse skeletal effects of selective serotonin reuptake inhibitors. Published in European Psychiatry April 2012. DOI: doi.org/10.1016/j.eurp sy.2010.10.006. SEROTONIN – MEHR ALS NUR „GLÜCKSHORMON“ Serotonin, auch 5-Hydroxytryptamin (5-HT), ist vor allem als „Glückshormon“ bekannt und fungiert unter anderem als Neurotransmitter im Gehirn. Zudem besitzt Serotonin im menschlichen Organismus auch als Gewebshormon vielfältige Wirkungen – insbesondere auf das Herz-Kreislauf-System, den Magen-Darm-Trakt und den Knochenstoffwechsel. Auf molekularer Ebene werden die Funktionen des Serotonins über mindestens 14 verschiedene Serotonin-Rezeptoren (5-HT-Rezeptoren) in den unterschiedlichsten Geweben vermittelt. Eine Störung des Serotonin-Stoffwechsels hat daher vielfältige systemische und psychologische Folgen. Serotonin und Depressionen Da einige Studien einen niedrigen Serotonin-Spiegel und eine verminderte Aufnahmefähigkeit von Serotonin mit Depressionen in Zusammenhang gebracht haben, konzentrierte sich ein pharmakologisches Interesse zur Entwicklung von Antidepressiva um den Botenstoff. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen über die Beteiligung von Serotonin sind allerdings zum Teil wider- sprüchlich, so dass die Serotonin-Hypothese der Depression nicht unumstritten ist. Dennoch sind Antidepressiva, die in den Serotonin-Spiegel eingreifen – sogenannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Serotonin Reuptake Inhibitors, SSRI) –, die am häufigsten verwendeten Medikamente zur Behandlung von Depressionen. Sie blockieren Serotonin-Transporter und erhöhen dadurch die Konzentration von Serotonin in der Gewebsflüssigkeit des Gehirns. Und sie wirken selektiv, da sie an andere Monoamin-Transporter nicht oder nur sehr schwach binden. Dies unterscheidet die SSRI von den älteren trizyklischen Antidepressiva. Normalerweise wird Serotonin nach seiner Ausschüttung in den Synaptischen Spalt „recycelt“ und wieder in die Präsynapse aufgenommen. Die SSRI unterbrechen diese Wiederaufnahme. Durch die pharmakologische Anwendung von SSRI über mehrere Wochen wird zudem die Zahl der Serotonin-(5-HT)2A-Rezeptoren im Zentralnervensystem verringert, was den nachhaltigen antidepressiven Effekt von SSRI erklärt. Aufgrund des breiten Wirkspektrums von Serotonin im Körper sind auch die Störungen weitreichend, wenn durch SSRI in den sensiblen Stoffwechsel eingegriffen wird. Wichtig für die Zahnmedizin Von zahnmedizinischem Interesse sind dabei vor allem Effekte der SSRI auf die Speichel- und auf die Knochenbildung. Bei langfristiger Einnahme von SSRI-Antidepressiva erhöht sich beispielsweise das Risiko, Karies zu entwickeln, da die Anwendung häufig mit Mund- trockenheit verbunden ist. Das Fehlen von Speichel hat nachteilige Folgen für die Mundflora und beeinflusst auch die Wundheilung negativ. So ist das Einheilen von Implantaten durch die Mundtrockenheit ebenfalls erschwert. Hier kommt noch ein weiterer Effekt der SSRI zum Tragen: Vorangegangene Studien deuten an, dass SSRI die Knochenbildung verringern und das Risiko für Knochenbrüche erhöhen. Auch die Osseointegration eines Implantats wird durch den Knochenstoff- wechsel beeinflusst. Mehrere Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von SSRI und dem Risiko von Ausfällen bei osseointegrierten Implantaten hergestellt. | 39
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