Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

zm 110, Nr. 5, 1.3.2020, (411) oder eher ungünstig ist. Je nach Beur- teilung könnten Zahnärzte die Pfeiler als sichere, zweifelhafte oder hoffnungs- lose Kandidaten für die prothetische Versorgung bewerten. Letztere müssten im Zuge einer Vorbehandlung vor der prothetischen Rekonstruktion entfernt werden. In seinem vertiefenden Seminar entwickelte Heydecke mit den Teilneh- mern daraus ein Ampelschema (sicher: grün; zweifelhaft: gelb; hoffnungslos: rot). Sehr gut zu erfassen war die Kenn- zeichnung der Zähne auf einer Rönt- genaufnahme mit grünen, gelben und roten Punkten. Zu bedenken sei aber, dass Implantate als Pfeiler bei einer Parodontitis eine schlechtere Prognose als bei parodon- tal gesunden Verhältnissen haben. Parodontitispatienten weisen auch ein höheres Risiko periimplantärer Knochenverluste und für eine Peri- implantitis auf. Zu herausnehmbarem Zahnersatz auf natürlicher Restbezahnung und Im- plantaten (Stichwort: Pfeilervermeh- rung) gibt es nach Heydecke meist nur Studien mit einem rund dreijährigen mittleren Beobachtungszeitraum [Krennmair et al., 2007; Kaufmann et al., 2009]. Eine Aussage, ob Behandler mit einer solchen Therapie weitere Zahnverluste langfristig vermeiden können, sei schwer zu treffen. MANCHMAL IST KLEBEN BESSER ALS IMPLANTIEREN Prof. Dr. Stefan Wolfart aus Aachen stellte patientenorientierte Therapie- konzepte in der Implantatprothetik vor. Bei jungen Patienten, die ein Im- plantat nach Zahntrauma oder bei Nichtanlage eines Zahnes benötigen, empfahl er, die Implantation mög- lichst hinauszuzögern. Denn sehr häu- fig würden Implantate einfach unter Vorwegnahme des zu erwartenden Kiefer- wachstums gesetzt – mit der Folge von Infraokklusionen oder dem Verlust von Approximalkontakten. Denn der Kiefer wachse möglicherweise weiter und das Implantat wachse bekanntlich nicht mit. Er verwies in solchen Fällen auf die Verwendung von Adhäsivbrücken, zum Beispiel aus Aluminiumoxidkera- mik, die ihre Langlebigkeit inzwischen unter Beweis gestellt hätten: In einer Studie wurde eine Überlebensrate von 94,4 Prozent nach 15 Jahren festge- stellt [Kern, 2016]. Dabei sei darauf zu achten, die Klebebrücken einflügelig zu gestalten, weil diese länger über- leben als die zweiflügeligen aus Metall- keramik. Eine Ausnahme könne beim Schließen größerer Lücken wie dem Ersatz von 11 und 21 gemacht werden. In diesem Fall rät er, doch besser die relativ kleinen Klebeflächen beider Zweier einzubeziehen. Natürlich seien diese Entscheidungen immer mit dem Patienten zusammen zu treffen, so dass er – aufgeklärt über die Behandlungs- alternativen – seine „informierte Ein- willigung“ zur Therapie geben könne. Bei teleskopierenden Versorgungen auf Zähnen und Implantaten hätten so- wohl Implantate als auch die eigenen Restzähne nach Fobbe et al. eine gute Prognose [Fobbe et al., 2019], erläuterte Wolfart. REZESSIONSDECKUNG: NUR MIT SCHARFEN NADELN Prof. Dr. Stefan Fickl aus Würzburg informierte die TeilnehmerInnen über den aktuellen Stand in der Rezessions- deckung. Unabhängig von der jewei- ligen Technik sei es immer wichtig, dünne, scharfe Nadeln zu verwenden, um feine Nähte herzustellen. Ein zur Rezessionsdeckung mobilisierter Lappen müsse immer dick genug sein – min- destens einen Millimeter – denn nur dann sei er ausreichend durchblutet. Bei sehr dünner, marginaler Mukosa (unter einem Millimeter) verbessere ein Bindegewebstransplantat in Kom- bination mit Schmelzmatrixproteinen die Prognose einer Rezessionsdeckung, erläuterte Fickl anhand von Studien von Cairo et al. [2014/2016]. Der Lap- pen selbst solle immer nur passiv auf der Wunde aufliegen und mit Nähten lediglich stabilisiert werden. Zieht der Behandler ihn unter Spannung mit einer Naht über die Rezession, bestehe eher die Gefahr einer Nekrose. Die Region um ein Implantat sei immer voroperiertes Gewebe und möglicherweise schon im Vorfeld narbig. Meist sei es nur möglich, ein bis zwei Millimeter mit einem koro- nalen Verschiebelappen und einem Bindegewebstransplantat zu gewinnen, um freiliegende Kronenränder an Im- plantaten abzudecken. Eine konkrete Erfolgsprognose sei kaum zu treffen. Verwenden Zahnärzte Fremdmaterial wie zum Beispiel porcine Dermis, müsse das Transplantat immer komplett mit dem gebildeten Lappen abgedeckt sein. Anders als menschliches Binde- gewebe, das schrumpfe, expandiere das porcine Material und müsse daher extrem spannungsfrei und vollständig abgedeckt werden. \ Foto: Riefenstahl_ZKN Foto: Riefenstahl_ZKN Tagungspräsident Professor Dr. Thomas Attin, Zürich, stellt das Kongressthema „Moderne Parodontologie und Implantologie – Aktuelle Konzepte zum langlebigen Erhalt von Zähnen und Implantaten“ vor. Prof. Dr. Stefan Fickl, Würzburg, demonstrierte Techniken und Materialien aus der Mukogingivalchirurgie | 45

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=