Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

LÜCKENSCHLUSS BEI APLASIEN Aligner und Mesialslider in Kombination Benedict Wilmes, Jörg Schwarze, Dieter Drescher Zahnnichtanlagen und das dadurch notwendige Lückenmanagement stellen Zahnärzte und Kieferorthopäden immer wieder vor schwierige Entscheidungen. Um nicht bereits im jugendlichen Gebiss Indikationen für prothetische Versorgungen schaffen zu müssen, bietet sich der kieferorthopädische Lückenschluss als Lösung an. Mit einer Kombination aus per Mini-Implantat skelettal verankerten Slidern und Alignern führt er zu einer für den Patienten ästhetisch befriedigenden Lösung. A ligner werden in zunehmendem Maße als ästhetische Behand- lungsalternative verwendet. Neben der Ästhetik gilt als weiterer Vorteil die geringere Anfälligkeit für Demineralisierungen während der Therapie verglichen mit festsitzenden Apparaturen [Buschang, 2019]. Zähne können mit einer hohen Verlässlich- keit gekippt und derotiert werden [Papadimitriou, 2018]. Eine begrenzte Wirksamkeit zeigen Aligner allerdings, wenn eine körperliche Zahnbewegung gewünscht ist, wie es bei einem Lückenschluss, einer transversalen Expansion oder einer Distalisierung der Fall ist [Papageorgiou, 2019]. In der Literatur lassen sich zwar vereinzelte Artikel finden, die über eine Molaren- distalisation von bis zu 2,5 mm berich- ten, als nachteilig werden jedoch die eher kippenden Molarenbewegungen, die hohen Anforderungen an die Mit- arbeit des Patienten (Notwendigkeit von intermaxillären Gummizügen) so- wie die sehr lange Behandlungsdauer genannt [Bowman, 2015; Ravera, 2016; Simon, 2014]. Um eine körper- liche Bewegung mit einer höheren Ver- lässlichkeit und Geschwindigkeit zu erreichen, gibt es jedoch die Möglich- keit, die Effektivität der Therapie durch skelettal verankerte Geräte zu unter- stützen. Insbesondere im Oberkiefer er- geben sich durch Mini-Implantate im Gaumen sehr interessante neue Mög- lichkeiten für den Kliniker. Die Aplasie oberer seitlicher Schneide- zähne weist eine Prävalenz 0,8 bis 2 Prozent auf und repräsentiert damit eine der häufigsten Formen dentaler Nichtanlagen [Altug-Atac, 2007]. Dabei kann das Fehlen dieser Zähne sowohl symmetrisch als auch asymmetrisch vorliegen. Bei der Therapieplanung stellt sich die grundsätzliche Frage der langfristigen Versorgung [Robertsson, 2000; Zachrisson, 1978]. Eine Option besteht darin, die Lücke aufrechtzu- erhalten, um eine spätere prothetische Versorgung mittels eines dentalen Implantats beziehungsweise einer Adhäsivbrücke anzustreben [Kern, 1990; Kern, 2017; Zachrisson, 2011]. Einzelzahn-Implantate sind jedoch im oberen Frontzahnbereich mit einem hohen Risiko einer langfristigen ästhe- tischen Beeinträchtigung assoziiert, da das alveoläre Wachstum und die Re- modellation der Alveolarfortsätze bis weit ins Erwachsenenalter andauern. Die hieraus entstehende Infraposition der Implantate und ihrer Supra- konstruktionen lassen sich nur schwer korrigieren [Oesterle, 1993; Zitzmann, 2015]. Die pathologischen Prozesse, die im periimplantären Gewebe eines jeden Implantats auftreten können, führen im ästhetisch sensitiven Bereich häufig zu einem Durchschimmern des grauen Implantatkörpers infolge einer Resorption der bukkalen Knochen- lamelle. VORTEILE DES LÜCKENSCHLUSSES In vielen Fällen erscheint daher gerade bei jugendlichen Patienten der kiefer- orthopädische Lückenschluss vorteilhaft [Johal, 2013; Rosa, 2016; Zachrisson, 2004]. Zur Optimierung der Rot-Weiß- Ästhetik kann eine Anpassung der Gingivakonturen mittels vertikaler Stellungskorrektur der Frontzähne erfolgen [Zachrisson, 2011]. Dazu werden der Eckzahn extrudiert und der erste Prämolar intrudiert, um den ursprünglichen Gingivaverlauf nach- zuahmen [Rosa, 2010]. Studien haben gezeigt, dass die okklusale Funktion und der parodontologische Status nach Lückenschluss und vertikaler An- passung auch nach vielen Jahren noch ausgezeichnet waren [Rosa, 2016]. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die Zahnbewegung neuer Knochen im Be- reich der Lücke generiert werden kann. Klinisch entsteht der Eindruck, die Zähne nehmen ihren Knochen mit. So können knöcherne Atrophien, die in zahnlosen Alveolarfortsatzregionen entstanden sind, korrigiert werden. Last, but not least ist es oft so, dass vor- handene Weisheitszähne nach Mesia- lisierung der Molaren aufgrund der interdentalen Fasern mit nach mesial driften und auf diese Weise ausreichend Platz im Zahnbogen finden. Im Vergleich zur Lückenöffnung stellt der Lückenschluss weitaus höhere Anforderungen an die Verankerung [Ludwig, 2013]. Der Erhalt des sagitta- len Überbisses sowie das Einstellen der korrekten dentalen Mitte im Oberkiefer erfordern insbesondere bei Vorliegen einer asymmetrischen Dentition eine differenzierte Verankerungsplanung. Zur Verankerung werden traditionell intermaxilläre Gummizüge verwendet. PROF. DR. BENEDICT WILMES Universitätsklinikum Düsseldorf, Westdeutsche Kieferklinik, Poliklinik für Kieferorthopädie Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf wilmes@med.uni-duesseldorf.de Foto: privat 46 | ZAHNMEDIZIN zm 110, Nr. 5, 1.3.2020, (412)

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