Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05
zm 110, Nr. 5, 1.3.2020, (423) fünf Jahre empfohlen. Bei einem erhöhten Risikoprofil kann eine Ver- längerung der Therapie um weitere zwei bis fünf Jahre erfolgen. Die endo- krine Therapie kann parallel zur Be- strahlung, nicht jedoch während der Chemotherapie durchgeführt werden. Bei prämenopausalen Patientinnen ohne ausgeprägtes Risikoprofil wird Tamoxifen, ein selektiver Östrogen- rezeptor-Modulator, empfohlen. Post- menopausalen Patientinnen kann eine Kombination aus Tamoxifen für zwei bis drei Jahre, gefolgt von einem Aromatasehemmer (Switch Therapie) oder primär ein Aromatasehemmer (upfront Therapie), empfohlen wer- den. Typische Nebenwirkungen beider Therapieoptionen sind Wechseljahres- beschwerden wie Hitzewallungen, Trockenheit und Juckreiz in der Scheide sowie Haut-und Haarverände- rungen. Bei Tamoxifen können zusätz- lich Sehstörungen (Grauer Star, Netz- hauttrübungen), ein vermehrter Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und venöse Thrombosen auftreten. Bei den Aromatasehemmern stehen Be- schwerden des Bewegungsapparats (Osteoporose, Arthralgien, Myalgien) im Vordergrund. INTRAORALE NEBENWIRKUNGEN Chemotherapie Von allen Therapiemöglichkeiten zeigt die Chemotherapie für die orale Ge- sundheit die meisten Nebenwirkungen. Zu den typischen Nebenwirkungen zählen entzündliche Veränderungen aller Schleimhäute – somit sind die Mundhöhle, das Parodont sowie der Rachenbereich einschließlich der Speiseröhre in besonderer Weise be- troffen [Van Sebille et al., 2015; Thorpe et al., 2013; Cidon, 2018; Johnston, 2011; Hong et al., 2018; Greene et al., 1994]. Entzündliche Schleimhautpro- zesse werden bei 20 bis 40 Prozent aller Zytostatika-Applikationen beschrieben, wobei die Mundschleimhäute bereits in frühen Therapiestadien Entzün- dungszeichen aufweisen [Lalla et al., 2014]. Mögliche orale Folgekomplikationen nach Chemotherapie sind Xerostomie, Geschmacksirritationen, Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme mit kon- sekutivem Gewichtsverlust sowie paro- dontale Probleme mit erhöhten Plaque- und Entzündungswerten sowie in der Phase der Neutropenie auch Candidabefall [Wilberg et al., 2014]. Die Ausprägung des Nebenwirkungs- spektrums ist von der Art des verwen- deten Medikaments abhängig. Die Arbeitsgruppe um Adeel et al. untersuchte 358 Brustkrebspatientin- nen, die jeweils vier Zyklen unter- schiedlicher Chemotherapieregime er- hielten (Doxorubicin oder Docetaxel in Kombination mit Cyclophosphamid) [Adeel et al., 2019]. Während unter der Therapie von Docetaxel und Cyclo- phosphamid weniger Mundschleim- hautveränderungen, Gewichtsreduk- tionen und Schwindel beobachtet wurden, rief die Kombination von Doxorubicin und Cyclophosphamid weniger Muskelschmerzen, Neuro- pathien, Anämien und Geschmacks- irritationen hervor. Geschmacks- störungen, die unter Therapie oftmals auftreten, schränken die Lebensqualität der Patientinnen deutlich ein und er- schweren mitunter eine ausgewogene Nahrungsaufnahme [De Vries et al., 2017; Speck et al., 2013]. Die Patien- tinnen konsultieren mit diesem Be- schwerdebild oftmals ihren Hauszahn- arzt, deshalb ist es hilfreich zu wissen, dass es vor allem zu Beginn der Thera- pie zu einer signifikanten Geschmacks- verschlechterung kommt, die sich aber Abb. 4: OPG-Aufnahme einer 62-jährigen Brustkrebs- überlebenden, die vor vier Jahren eine Tumortherapie mit Operation, Strahlen- therapie und Chemotherapie erhalten hatte: Die Zähne 47, 13 und 26 zeigen apikale Herde bei unauffälliger Perkussion; Vitalität nicht nachweisbar. Die Patientin berichtete auch über länger anhaltende Sensibilitäts- störungen an Händen und Füßen sowie Störungen des Fuß-Nagelbettes. Abb. 5: Zahnfilm Regio 16 und 17 einer 65-jährigen Brustkrebs- überlebenden, die mit Operation und kombinierter Radio- und Chemotherapie behandelt wurde: Der vor der Chemotherapie klinisch und radiologisch unauffällige wurzelkanalbehandelte Zahn 17 zeigte bei der Kontroll- untersuchung (fünf Jahre nach Chemotherapie) eine positive Perkussion und radiologisch sind deutlich periradikuläre Veränderungen sichtbar; eine Erhaltungswürdigkeit war nicht mehr gegeben. Foto: Universitätsmedizin Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz PROF. DR. MED. DENT LINA GÖLZ Zahnklinik 3, Kieferorthopädie Universitätsklinikum Erlangen Glücksstr. 11, 91054 Erlangen Foto: privat | 57
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