Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05
zm 110, Nr. 5, 1.3.2020, (439) herrenbund und dem NS-Dozenten- bund an. Einem vermutlich im Juli 1935 erstellten Verzeichnis zufolge waren zu dem Zeitpunkt lediglich 16 von circa 290 Mitgliedern des Gesamt- lehrkörpers der Universität Freiburg Mitglieder des NS-Dozentenbundes – Faber gehörte dazu. 12 Faber trat nicht nur der Allgemeinen SS, sondern auch der Waffen-SS bei: 13,14 Dieser Schritt ließ sich – wie unser ge- rade abgeschlossenes NS-Zahnärzte- Projekt 15,16 ergab – für insgesamt 305 Zahnärzte, aber nur für sehr wenige zahnärztliche Hochschullehrer nach- weisen – zu den weiteren Ausnahmen gehörten die Professoren Karl-Friedrich Schmidhuber, Hans Fliege und Gerhard Steinhardt. Die Waffen-SS verstand sich als nationalsozialistische Elitetruppe, die das selbstgestellte Ziel hatte, die NS-Ideologie unter allen Umständen durchzusetzen; die Männer standen in dem Ruf, rücksichtslos und gegebenen- falls brutal gegen Gefangene und Zivilisten vorzugehen, stellten das KZ- Personal, waren in nahezu alle NS- Verbrechenskomplexe involviert und entsprechend gefürchtet. Demgemäß finden sich unter den 48 Zahnärzten, die nach 1945 nachweislich als Kriegs- verbrecher vor Gericht gestellt wur- den 17 , viele Waffen-SS-Männer, zum Beispiel die kürzlich wissenschaftlich untersuchten Zahnärzte Hermann Pook, Helmut Kunz und Willi Schatz. 18-20 Faber war 1934 auf Druck einfluss- reicher Nationalsozialisten nach Freiburg berufen worden – gegen den erklärten Willen der Freiburger Medizinischen Fakultät, die gleich fünf andere Perso- nen als geeigneter beurteilt und in die engere Wahl genommen hatte, näm- lich Hans-Hermann Rebel, Wilhelm Meyer, Eduard Precht, Rudolf Weber und Walter Adrion. Favorisiert wurde Rebel. Dieser wurde jedoch von den Nationalsozialisten kritisch beäugt; auf- grund seiner „politischen Gesinnung“ wurden seine Rufe an die Universitä- ten Freiburg beziehungsweise Marburg durch Einspruch der betreffenden NS- Instanzen vereitelt. 21 In Freiburg war es konkret so, dass die Kandidatenliste nach einem Einspruch des NS-Unterrichtsministeriums um die beiden SS-Mitglieder Faber und Privat- dozent Curt Scheidt (Freiburg) ergänzt werden musste. Letztlich wurde Faber bevorzugt. 3 Fabers Berufung war die erste Ruferteilung der Fakultät, die „von außen und eindeutig auf Grund parteipolitischer Einflußnahme“ er- folgte. 7 Er war ein eindeutiger Nutz- nießer des Regimes: Bereits 1933 hatte sich der Blutordensträger und spätere zahnärztliche Reichsdozentenführer Karl Pieper für die Berufung des „Par- teigenossen“ Faber 22 auf den vakanten Lehrstuhl in Bonn eingesetzt, was die Bonner Fakultät jedoch strikt ablehnte. Nun, in Freiburg, war jedoch an Faber kein Vorbeikommen mehr. KARRIEREBRUCH NACH 1945 So sehr Faber im „Dritten Reich“ karriere- technisch vom Nationalsozialismus profitierte, so sehr schadete ihm diese Verstrickung nach 1945: Während viele Nationalsozialisten ihre Laufbahn fort- setzen konnten, erlebte Faber einen Karrierebruch: Im Juni 1945 wurde er aus politischen Gründen aus dem Hochschuldienst entlassen, im Januar 1946 wurde er durch die französische Militärregierung verhaftet und im Internierungslager Freiburg festgesetzt. Im April 1946 gehörte er zu lediglich vier von 16 Ordinarien der Freiburger Medizinischen Fakultät, die gemäß Entscheidung des Landes-Reinigungs- ausschusses „endgültig entlassen“ wur- den. 7 Interessant ist, dass Faber im September 1948 ein günstiges Spruch- kammerurteil erhielt: Er wurde als „Mitläufer ohne Sühnemaßnahmen“ eingeordnet. Allerdings wurde die überwältigende Mehrheit der Entnazi- fizierten aufgrund von beigebrachten Leumundszeugnissen („Persilscheine“) als Mitläufer oder Entlastete eingestuft („Mitläuferfabriken“). 23 Faber blieb dennoch ein neuerliches Ordinariat verwehrt. Er wurde zwar im Sommer- semester 1950 im Vorlesungsverzeichnis wieder als Mitglied des Lehrkörpers ge- führt, doch bereits im Mai 1950 wurde seine Emeritierung vollzogen, ohne dass er zwischenzeitlich auf den Lehrstuhl zurückgekehrt wäre. So ließ er sich als ZMK-Facharzt in Freiburg nieder, wo er mindestens bis 1957 praktizierte. 24 Er starb dort am 11. August 1961. 1968 veröffentlichte Bärbel Keffer eine Dissertation, in der sie auf Faber ein- ging. Allerdings blendete sie Fabers aktive Rolle als Waffen-SS-Mann weit- gehend aus und beschrieb ihn als Opfer harscher alliierter Nachkriegs- regularien: „Er wurde gezwungen, die Leitung der Klinik niederzulegen. Nach seiner Rehabilitierung wurde er 1950 emeritiert.“ 25 Zu Fabers Auftreten ver- merkte Keffer vieldeutig, „von seinen Mitarbeitern wurde mir Faber als ein Mensch beschrieben, dem man den Offizier des ersten Weltkrieges noch anmerkte. Er war stets korrekt gekleidet und gewissenhaft bei seiner Arbeit“. 25 Fabers Münchner Weggefährte Erwin Reichenbach, ebenfalls NSDAP- und zudem SA-Mitglied, hatte bereits 1957 dessen integre Persönlichkeit heraus- gestellt: „Sie alle haben Sie, ebenso wie Ihre alten Mitarbeiter an der Münche- ner Klinik, in angenehmer Erinnerung als Lehrer, vor allem aber auch als aufrichtigen und in der Gesinnung makellosen Menschen!“ 1 Diese Kurzbiografie wäre unvollständig, würde man nicht auf Fabers Rolle als Hochschullehrer eingehen 3,4,6 : Faber verfasste insgesamt circa 50 Publikatio- nen zu verschiedensten zahnärztlichen Themengebieten. 26-32 Bedeutende wis- senschaftliche Spuren hinterließ er dabei nicht – anders als etwa Gerhard TÄTER UND VERFOLGTE Die Reihe „Zahnärzte als Täter und Verfolgte im ‚Dritten Reich‘“ läuft das gesamte Kalenderjahr 2020. In der zm 6/2020 folgen Karl Pieper und Benno Elk, in der zm 7/2020 Reinhold Ritter und Ewald Fabian. 12 Grün/Hofer/Leven, 2002, 202; 13 Groß/Westemeier/Schmidt/Halling/Krischel, 2018; 14 Westemeier/Groß/chmidt, 2018, 93–112; 15 Schwanke/Krischel/Gross, 2016;51:2–39; 16 Groß, 2018;73(3):164–178; 17 Rinnen/Westemeier/Gross, 2020;44:in press; 18 Schmidt/Groß/Westemeier, 2018, 113–127; 19 Heit/Westemeier/Groß/Schmidt, 2019;227(11); 20 Schwanke/Gross, 2020;94:in press; 21 Zimmermann, 2009, 78f.; 22 Höpfner, 1999, 326; 23 Niethammer, 1982; 24 Deutsches Zahnärztliches Adressbuch 1957, 31; 25 Keffer, 1968, hier 83f.; 26 Faber, 1924;22:673–682; 27 Faber, 1951;6:123–125; 28 Faber, 1952;7:270–273; 29 Faber, 1952;7:521–523; 30 Faber, 1954;51(2):73–79; 31 Faber, 1928 (Habilschr. München 1927); 32 Faber, 1929;27:530–545 | 73
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