Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

zm 110, Nr. 5, 1.3.2020, (445) Zu den Derivaten des Ektoderms gehören Haare, Zähne, Nägel, Schweißdrüsen, Talgdrüsen, Brustdrüsen und Wimpern- drüsen [Ramesh et al., 2010; Deshpande et al., 2010; Mikkola, 2009; Visinoni et al., 2009]. An oralen Manifestationen werden bei den verschiedenen Formen der ektodermalen Dysplasie neben Zahnnichtanlagen (Hypodontie, Oligo- dontie, Anodontie) auch Formanoma- lien der Zähne wie Mikrodontie oder Zapfenzähne [Hanisch et al., 2018] be- schrieben. Trotz offensichtlicher Symptome wie multiple Zahnnichtanlagen scheint teilweise ein Problem bei der Diagnose- stellung zu bestehen. So wurden in zwei Publikationen [Hanisch et al., 2018, Hanisch et al., 2019] Diagnose- zeiträume von 7,73 beziehungsweise 9,04 Jahren zwischen dem Auftreten der ersten Symptome der Erkrankung, wie dies Zahnnichtanlagen oder Form- anomalien der Zähne sein können, und der korrekten Diagnose ermittelt. Gerade Zahnärzte, Fachzahnärzte für Kieferorthopädie oder Oralchirurgie sowie Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgen könnten die Symptome Nichtanlagen und Formanomalien der Zähne einer ektodermalen Dysplasie zuordnen und entsprechende weitere diagnostische Maßnahmen, wie eine molekulargenetische Abklärung, veran- lassen. Dies kann durch eine einfache Überweisung an die Humangenetik erfolgen. Auch ist inzwischen bekannt, dass multiple Zahnnichtanlagen im Zusam- menhang mit einer ektodermalen Dys- plasie die mundgesundheitsbezogene und die allgemeine Lebensqualität mindern [Hanisch et al., 2018, Hanisch et al., 2019]. Eine kaufunktionelle und ästhestische Versorgung zur Steigerung der Lebensqualität kann beispielsweise mit Implantaten erfolgen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt in den Richtlinien gemäß Paragraf 92 Absatz 1 SGB V die selte- nen Ausnahmeindikationen für Fälle fest, bei denen ein Anspruch auf implantologische Leistungen ein- schließlich der Suprakonstruktionen im Rahmen einer medizinischen Ge- samtbehandlung gemäß Paragraf 28 Absatz 2 Satz 9 SGB V als Sachleistung besteht [G-BA, 2006]. In diesem Rah- men hat der G-BA die ektodermalen Dysplasien den angeborenen Fehl- bildungen des Kiefers zugeordnet. Folglich sollte eine mögliche Aus- nahmeindikation mit Anspruch auf implantatgetragenen Zahnersatz zur kaufunktionellen Rehabilitation von Patienten mit ektodermalen Dyspla- sien stets geprüft, und den Patienten somit ein Lösungsweg aufgezeigt werden. Aufgrund der bei Oligodontien feh- lenden Zahnanlagen wird auch der mit dem Durchbruch des bleibenden Zahns verbundene Wachstumsreiz auf den Alveolarfortsatz nicht ausgelöst, woraus meist ein reduziertes Knochen- angebot resultiert [Terheyden und Wüsthoff, 2015]. Neben oftmals erfor- derlichen augmentativen Maßnahmen [Wang et al., 2016] ist im Rahmen der Implantation auch mit einem harten und spröden Knochen zu rechnen [Terheyden und Wüsthoff, 2015]. Insgesamt zeigen Implantate bei Patienten mit ektoder- malen Dysplasien jedoch hohe Über- lebensraten [Chrcanovic, 2018]. SCHLUSSFOLGERUNGEN Bei Zahnnichtanlagen sollte stets auch eine ektodermale Dysplasie bedacht und gegebenenfalls molekulargenetisch abgeklärt werden. Eine Überweisung an die Humangenetik kann durch den Zahnarzt erfolgen. Sollte der Verdacht einer ektodermalen Dysplasie bestätigt werden, kann eine implantologische Versorgung nach den im Sozialgesetz- buch V unter Paragraf 28 geregelten Ausnahmeindikationen beantragt werden. \ DR. MED. DENT. MARCEL HANISCH, MBA Fachzahnarzt für Oralchirurgie Oberarzt, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Münster Leiter der Spezialsprechstunde „Seltene Erkrankungen mit oraler Beteiligung“ Waldeyerstr. 30, 48149 Münster marcel.hanisch@ukmuenster.de Foto: Privat ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 3 4 6 5 | 79

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