Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

zm 110, Nr. 5, 1.3.2020, (446) PILOTPROJEKT ZUR STÄRKUNG DER LESE- UND SCHREIBKOMPETENZ Wer den Beipackzettel nicht lesen kann, ist klar im Nachteil Gerade beim Thema Gesundheit kann eine gute Schreib- und Lesekompetenz darüber entscheiden, ob Vorsorge und Therapien optimal genutzt werden und erfolgreich sind. Ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt der AOK und der Stiftung Lesen will genau diese Kompetenzen stärken. R und zwölf Prozent der Erwerbs- fähigen hierzulande können nicht richtig lesen und schreiben. Hochgerechnet entspricht dies bundes- weit etwa 6,2 Millionen Menschen, deren Lese- und Schreibkompetenzen für eine volle berufliche, gesellschaft- liche und politische Teilhabe nicht ausreichen. Um hier gegenzusteuern, geben der AOK-Bundesverband und die Stiftung Lesen jetzt Handlungs- empfehlungen. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „HEAL – Health Literacy im Kontext von Alphabetisierung und Grundbil- dung“ zeigen sie auf, wie die Lese- und Schreibfähigkeit in der Gesundheits- versorgung gestärkt werden kann. Ana- log dem von der WHO postulierten Ansatz „Health in all Policies“ will das Projekt die literalen Fähigkeiten von Menschen auch in anderen Feldern wie Finanzen und Digitalisierung stär- ken – vor allem aber in den Bereichen Gesundheit und Ernährung. Vier Handlungsbereiche werden identifiziert: \ Vernetzung von Akteuren: Planung und Umsetzung von Grundbildungsangeboten durch Anbieter aus der Gesundheits- förderung und Alphabetisierung. Dazu können beispielsweise neue Akteure gehören – wie etwa Selbst- hilfegruppen im Bereich der Gesundheit oder Blogger im Bereich der Ernährung. Es können auch bestehende Netzwerke genutzt werden, vor allem Online- Plattformen zum Austausch mit Multiplikatoren oder Betroffenen oder Akteuren aus anderen Disziplinen werden eingebunden, wie etwa Ernährungsberater in Kochkurse für gering literalisierte Erwachsene. \ Gestaltung von Rahmenbedingun- gen: etwa die Entwicklung laien- verständlicher Darstellungen auf Beipackzetteln oder laien- verständliche Lebensmittel- kennzeichnungen im Form von Ampelfarben. \ Ansprache von Zielgruppen: etwa die Entwicklung von Screening- Instrumenten zur leichteren Identifikation der Zielgruppen. \ Einbezug der Digitalisierung: wie die Förderung von Maßnah- men zur Steigerung der digital Health Literacy und digital Food Literacy. Darüber hinaus empfehlen sie dem BMBF, einen Förderschwerpunkt zu diesem Themenfeld zu einzurichten. DIE LESEKOMPETENZ IST ENTSCHEIDEND „Wenn Menschen beispielsweise den Beipackzettel eines Medikaments nicht verstehen, weil sie nicht richtig lesen und schreiben können, so kann dies gesundheitsschädliche Folgen haben“, sagt Dr. Kai Kolpatzik, Präventions- experte und Projektleiter im AOK-Bun- desverband. „Für Allergiker, die die Nährwertangaben auf Lebensmitteln nicht richtig lesen können, wird das sogar lebensbedrohlich. Diese fehlende Lese- und Schreibkompetenz kann sich auch auf viele andere Lebensbereiche negativ auswirken. Unsere Empfehlun- gen verfolgen daher einen gesamt- gesellschaftlichen Ansatz, der sich nicht nur an Akteure aus dem Bil- dungs- und Gesundheitssektor richtet, sondern auch viele weitere politische Ressorts in die Pflicht nimmt.“ Ziel sei, Menschen in ihrem Alltag zu stärken und dafür zu sorgen, dass sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten, ergänzt Prof. Dr. Simone C. Ehmig, FOLGEN DER GERINGEN LITERALITÄT Rund zwölf Prozent der Deutsch sprechenden Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren können nicht richtig lesen und schreiben. Sie sind nicht in der Lage, die Satzebene überschreitende Texte zu verstehen. Gering literalisierte Erwachsene nutzen in Gesundheits- fragen seltener als der Bevölkerungsdurchschnitt Quellen, die ihnen die selbstständige Suche, Auswahl und Einordnung von Infor- mationen abverlangen, vor allem im Internet. Sie fühlen sich häufiger unsicher in der Beurteilung von Fakten und trauen sich nur mit Schwierigkeiten zu, in gesundheitlichen Fragen eigenständig Unterstützungsmöglichkeiten zu finden [LEO Grundbildungsstudie, 2019]. Eingeschränkte Lese- und Schreibkompetenzen beeinträchtigen nicht erst im Krankheitsfall, sie betreffen auch Entscheidungen und Verhaltensweisen im Alltag, die einer gesunden Lebensführung und der Vorbeugung von Erkrankungen dienen. Quelle: HEAL 80 | POLITIK

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