Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (610) Einteilung von Seddon. Die weiteren Grade beinhalten eine genauere Unter- teilung der Neurotmesis. Ist die Ner- venverletzung aufs Endoneurium be- schränkt, handelt es sich um Grad 3, bei miterfasstem Perineurium um Grad 4 und bei vollständiger Nerven- durchtrennung (Miterfassung des Epi- neuriums) um Grad 5. Somit kann der Grad 5 nach Sunderland dem Grad 3 nach Seddon gleichgesetzt werden [Chhabra et al., 2014]. Der ideale Zeitpunkt einer Rekonstruk- tion des IAN und des LN ist gegen- wärtig noch nicht gefunden und wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Jedoch mehren sich die Hinweise, dass eine Rekonstruktion in den ersten drei Monaten nach iatrogenem Ereignis den größten Erfolg für eine mögliche vollständige Sensibilitätsrückkehr ver- spricht. Bagheri et al. berichten in die- sem Zusammenhang über das Sinken der operativen Erfolgsquote auf 5,8 bis 11 Prozent pro Monat [Bagheri et al., 2009; Bagheri et al., 2012; Kushnerev und Yates, 2015]. In unserem Fall erfolgte die Nervenrekonstruktion vier Wochen nach der Weisheitszahn- entfernung. Die Ausnahme sind Sensi- bilitätsstörungen nach der Einbrin- gung von Zahnimplantaten. Hier ist eine Explantation innerhalb von 30 Stunden indiziert, um dauerhafte Schäden des IAN zu verhindern [Renton and Yilmaz, 2012; Kushnerev und Yates, 2015]. Zu den operativen Verfahren einer Nervenrekonstruktion zählen die De- kompression, die direkte Koaptation, die Nervenrekonstruktion mit einem autologen Interponat sowie die unter- stützende Regeneration mit einem Sleeve. Bei der Dekompression wird der betroffene Nervenanteil, wie beim IAN unserer Patientin, freigelegt. Die Erfolgsaussichten liegen bei dieser Methode im Bereich von 85 Prozent, mit beginnender Sensibilitätsrückkehr nach drei Wochen und vollständiger Genesung nach zwei bis drei Monaten. Bei der direkten Koaptation beider Abb. 3: Koaptation des distalen Nerven- endes mit dem N.-suralis-Interponat (a) und nach Koaptation mit dem proximalen Nervenende (b): Der blaue Pfeil markiert das proximale Nervenende. Abb. 4: Darstellung des rechten IAN (blauer Pfeil) nach partieller Eröffnung des Canalis mandibulae (a) und nach Abdeckung mit Fibrinkleber (b) FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Für Nervenschäden sind im Unterkiefer sowohl der LN als auch der IAN inklusive seines Abgangs als N. mentalis anfällig. \ Die häufigste iatrogene Ursache einer Verletzung beider Nerven stellt die Weisheitszahnentfernung dar. Weitere Verletzungsmöglich- keiten sind nervennahe dento- alveoläre Eingriffe, Zahnimplan- tationen, endodontische Behand- lungen, Umstellungsosteotomien, Tumorresektionen, aber auch Infil- trationen von Lokalanästhetika. \ Periphere Nervenverletzungen äußern sich klinisch durch Sensibilitätsstörungen bis hin zu Sensibilitätsverlusten, schmerz- hafter Überempfindlichkeit, Geschmacksstörungen und Sprachveränderungen. \ Periphere Nervenverletzungen lassen sich nach Seddon in drei Grade und nach Sunderland in fünf Grade einteilen. \ Der ideale Zeitpunkt einer Rekonstruktion des verletzten IAN und des LN ist gegenwärtig noch nicht gefunden, es werden jedoch die ersten drei Monate nach erfolgter Nervenschädigung empfohlen. Im Fall von neu auf- getretenen Sensibilitätsstörungen nach Zahnimplantationen sollten diese zur Vermeidung dauerhafter Schäden des IAN möglichst inner- halb von 30 Stunden explantiert werden. \ Operative Nerven- rekonstruktionen beinhalten die Dekompression, die direkte Koaptation, die Rekonstruktion mit einem autologen Interponat sowie die unterstützende Regeneration mit einem Sleeve, wobei alle gute Erfolgsquoten versprechen. \ Die parallele Gabe von Vitamin B12 soll die körperliche Nerven- regeneration unterstützen. a b a b PD DR. MED. DR. MED. DENT. THOMAS MÜCKE Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische und ästhetische Operationen Malteser Krankenhaus St. Josefshospital Kurfürstenstr. 69, 47829 Krefeld-Uerdingen Thomas.Muecke@malteser.org Foto: privat 100 | ZAHNMEDIZIN

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