Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (556) AUS DER WISSENSCHAFT Mit Zinn gegen den Biofilm Mundspüllösungen, die Zinnsalze enthalten, hemmen offenbar die bakterielle Besiede- lung von Zahnoberflächen. Dresdner und Homburger ForscherInnen haben nun erstmals Wechselwirkungen zwischen Zinnionen und initialen Adhäsionsprozessen von Bakterien in situ untersucht. Z innionen aus Zinnfluorid hemmen bakterielle Enzyme und stören so den Bakterienstoffwechsel. Eine amerikanische Forschergruppe stellte bereits in den 1970er-Jahren in einer Studie fest, dass Zinnfluorid die Ad- häsion von Bakterien an Schmelz und die Zell-Zell-Kohäsion beeinträchtigt [Tinanoff et al., 1976]. In der Folge untersuchten Forscher meist bereits auf dem Markt befindliche Mundspül- lösungen mit verschiedenen Wirkstoff- kombinationen, zum Beispiel Zinn und Fluorid [Kensche et al., 2017]. In der aktuellen Studie von Wissenschaft- lerInnen aus Dresden und Homburg/ Saar sollte nun herausgefunden wer- den, welcher Wirkstoff für welchen Effekt verantwortlich ist. Dafür wurden unterschiedliche Fluorid- und/oder Zinnverbindungen untersucht. MATERIAL UND METHODE Verwendet wurden Test-Mundspül- lösungen mit reinem Aminfluorid, Natriumfluorid, Natriummonofluor- phosphat, Zinnfluorid (alle 500 ppm) und Zinnchlorid (gleicher Zinnanteil wie in Zinnfluorid) sowie Leitungs- wasser als Kontrolle. Insgesamt zwölf ProbandInnen trugen Prüfkörper aus Rinderschmelz, eingebettet in eine Schiene, zunächst eine Minute im Mund. So entwickelte sich eine Pellikel unter In-situ-Bedingungen. Danach spülten sie eine Minute lang mit je- weils einer Versuchslösung beziehungs- weise der Kontrolllösung. Zwischen dem Spülen lagen immer zwei Tage als Auswaschperiode. Nach der Spülung mit den Testlösungen trugen die Frei- willigen die Testplättchen für acht Stunden über Nacht im Mund. Die Wissenschaftler untersuchten \ die Bakterienmenge, die an den Schmelzplättchen anhaftete, und die Glukanbildung mithilfe der Fluoreszenzmikroskopie (DAPI), \ adhärente vitale und tote Bakterien mit der Vital-Fluoreszenz-Doppel- färbung (BacLight TM -Methode), \ die Ultrastruktur der Pellikel mit Transmissions-Elektronen- mikroskop (TEM), \ und die Frage, ob sich Zinnionen in den initialen Biofilm integriert haben (energiedispersive Röntgen- spektroskopie [EDX]). ERGEBNISSE In der Kontrollgruppe (Leitungswasser) war über die Hälfte der Schmelz- plättchenoberfläche mit einer ersten Bakterienschicht bedeckt, während nach der Zinnfluorid- und Zinnchlorid- spülung nur einzelne Bakterienzellen und kleinere Aggregate zu finden waren. Der Unterschied war signifikant. Glu- kane gab es auf allen Schmelzproben, insbesondere rund um die adhärenten Bakterienzellen. Keine der Test-Lösungen hatte einen reduzierenden Effekt auf die Glukanbildung. Weniger lebende und tote adhärente Bakterien fanden sich nach der Amin- fluorid- und der Zinnfluoridspülung, verglichen mit der Kontrolle und der Natriumfluoridgruppe. Signifikant weniger tote Bakterien detektierten die Wissenschaftler nach Zinn- und Amin- fluoridspülung verglichen mit der Natriummonofluorphosphat-Spülung. Die Ultrastruktur der Pellikel wies nach Spülung mit Natriumfluorid und Natriummonofluorphosphat keine sig- nifikanten Unterschiede zur Kontrolle auf. Nach Aminfluorid- und Zinnfluorid- spülung waren die Unterschiede zur Kontrolle signifikant. Bei der Amin- fluorid-Gruppe war die Pellikelschicht dicker als bei der Kontrolle. Bei der Zinnfluoridgruppe war die Basalschicht der Pellikel dichter (elektronendichter) und wies einzelne Zinn-Präzipitate auf. Beide Spülungen (Amin- und Zinnfluorid) hinterließen eine dickere Pellikel als die anderen Testspülungen. Die Spülung mit Zinnchlorid demine- ralisierte die oberste Schmelzschicht und nachfolgend infiltrierten Zinn- ionen die Schmelzoberfläche. Präzipi- tate von Zinn wurden sichtbar. Nach der einminütigen Spülung mit Zinnfluorid und -chlorid und der acht- stündigen Exposition der Schmelz- plättchen im Mund der Freiwilligen konnten die Wissenschaftler Zinn- ionen in der Pellikel nachweisen. DISKUSSION Die veränderte Zusammensetzung und Dicke der Pellikel nach Spülung mit Zinnfluorid scheint die Anhaftung von Foto: S. Basche, Zahnerhaltung, TU Dresden Angefärbte vitale und avitale Bakterien nach 8 Stunden oraler Exposition auf einer Schmelzprobe (Fluoreszenzmikroskopie, Baclight-Färbung) 46 | ZAHNMEDIZIN

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