Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06
zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (564) KONSENSBASIERTE EMPFEHLUNGEN ZUM HÄUSLICHEN CHEMISCHEN BIOFILMMANAGEMENT IN DER PRÄVENTION UND THERAPIE DER GINGIVITIS Dauer der Anwendung antimikrobieller Mundspüllösungen Anwendung antimikrobieller Mundspüllösungen bei Risikogruppen Tab. 4: Auszug aus der S3-Leitlinie „Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis“, Quelle: Auschill et al., 2018 Empfehlung In Situationen, bei denen kurzfristig (etwa 2–4 Wochen) eine hohe Keimzahlreduktion als alleinige Maßnahme notwendig ist, wenn ein mechanisches Biofilmmanagement nicht möglich oder indiziert ist, sollten antimikrobielle Mundspüllösungen angewendet werden. Hier sollte auf Chlorhexidin-haltige Spüllösungen ≥ 0,1% zurückgegriffen werden. Bei folgenden Risikogruppen kann die Anwendung antimikrobieller Mundspüllösungen als Ergänzung ihrer täglichen mechanischen Mundhygiene-Maßnahmen zur Prävention der Gingivitis erfolgen: mit besonderem Unterstützungsbedarf und eingeschränkter Alltagskompetenz (z. B. Pflegebedürftige), mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die kein effektives mechanisches Biofilmmanagement erreichen können, unter besonderer Medikation stehende (z. B. bei/nach Chemotherapie und/oder Bestrahlung), mit mechanisch so schwer zugänglichen Bereichen, dass kein effektives mechanisches Biofilmmanagement möglich ist. Hier können Formulierungen mit Aminfluorid/Zinnfluorid, Ätherischen Ölen, Cetylpyridiniumchlorid, Chlorhexidin < 0,1% empfohlen werden. Je nach individueller Situation kann eine lokale Applikation der Mund- spüllösung (zum Beispiel mit Interdentalbürste) in Erwägung gezogen werden. Expertenkonsens starker Konsens starker Konsens ter oder die Entwicklung des Kindes [Lopez et al., 2005; Offenbacher et al., 2006]. Der lokale Einsatz von anti- bakteriellen Mundspüllösungen (zum Beispiel CHX) vor, während und nach einer nicht-chirurgischen Parodontal- therapie kann zudem das Risiko einer Bakteriämie reduzieren. ZAHNÄRZTLICHE BEHANDLUNG SCHWANGERER PATIENTINNEN Nicht nur aufseiten der Patientinnen, auch aufseiten vieler Zahnärzte gibt es eine gewisse Unsicherheit oder auch erhöhte Ängstlichkeit gegenüber zahn- ärztlichen Eingriffen während der Schwangerschaft [Huebner et al., 2009; Pertl et al., 2000]. Im Folgenden wird auf einige „Besonderheiten“ dieser Be- handlungen eingegangen. Lagerung der Patientin Mit fortschreitender Schwangerschaft steigt das Gebärmuttervolumen stark an. In Rückenlage können die dorsal gelegenen Blutgefäße (Vena cava infe- rior und Aorta) durch den erhöhten Druck komprimiert werden, wodurch der Blutrückfluss zum rechten Herzen vermindert wird und der Blutdruck in der unteren Körperhälfte sinken kann [Päßler und Päßler, 2011; Pertl et al., 2000]. Bedingt durch die Rückfluss- behinderung kommt es zu einem Abfall des Herz-Minuten-Volumens. Dadurch kann es zu einer Minder- durchblutung der Plazenta kommen (“Vena-cava-inferior-Syndrom“) [Päßler und Päßler, 2011; Pertl et al., 2000]. Die primären Symptome des „Vena- cava-Syndroms“ sind Schwindel, Blut- druckabfall, Tachykardie und Dyspnoe. Um diese Komplikationen während einer zahnärztlichen Behandlung zu vermeiden, sollte auf die Lagerung der Patientin geachtet werden. Die Vena cava inferior befindet sich anatomisch zwar auf der rechten Patientenseite, je- doch sehr dicht paramedian, weshalb die meist empfohlene linksseitige Lage- rung einer schwangeren Patientin nicht immer ein Vena-cava-Syndrom vermeiden kann [Päßler und Päßler, 2011]. Der Zahnarzt sollte bezüglich der Lage- rung individuell vorgehen. Es sollte eine mehr sitzende oder halb liegende Position der Patientin gewählt werden, wobei gelegentliche Umlagerungen zur Vorbeugung des „Syndroms“ sowohl links- als auch rechtsseitig oder die Unterstützung der Hüfte durch ein Polster sinnvoll sein können [Päßler und Päßler, 2011; Pertl et al., 2000]. Arzneimittel Vor dem Einsatz von Arzneimitteln in der Schwangerschaft sollte immer eine kritische Nutzen-Risiko-Analyse erfolgen [Pertl et al., 2000]. Viele Arz- neimittel können die Plazentaschranke passieren und somit in den fetalen Kreislauf gelangen [Pertl et al., 2000]. Da das Risikopotenzial bei vielen neuen, auf dem Markt befindlichen Medika- menten nicht ausreichend kalkulierbar ist, wird empfohlen, in erster Linie Präparate mit ausreichend langer und umfangreicher klinischer Erfahrung zu verordnen [Päßler und Päßler, 2011; Pertl et al., 2000]. Bei der Anwendung von Lokalanästhe- tika haben viele Zahnärzte Bedenken. So konnte in einer Studie ermittelt werden, dass 32 Prozent der befragten Zahnärzte keine Lokalanästhetika bei schwangeren Frauen anwenden wür- den und 10 Prozent sich nicht sicher waren [Pertl et al., 2000]. Die Passage eines Lokalanästhetikums durch die 54 | ZAHNMEDIZIN
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