Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06
zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (566) 2010]. Auch beim Einsatz von Beta- lactamase-Inhibitoren wie Clavulan- säure, das häufig bei einem bestimm- ten Keimspektrum in Kombination mit Penicillin eingesetzt wird, bestehen keine Bedenken [Pertl et al., 2000]. Der Einsatz von Makrolidantibiotika (Erythromycin) in der Schwanger- schaft wird indes kritisch bewertet. Die Datenlage zu Erythromycin in der Schwangerschaft in Bezug auf frucht- schädigende Wirkungen ist unzu- reichend. Bei Clarithromycin, das eine dem Erythromycin verwandte Substanz ist, wurde ein teratogenes Potenzial nachgewiesen [Schindler et al., 2010]. Beim Einsatz von Clindamycin gibt es bisher zwar keine Hinweise für eine fruchtschädigende Wirkung, jedoch ist auch hier die Datenlage recht gering. Während der Schwangerschaft sollte deshalb nur bei strengster Indikation (Versagen von Penicillinen oder Ce- phalosporine, Anaerobier-Infektionen) auf Clindamycin zurückgegriffen wer- den [Schindler et al., 2010]. Die Gabe von Tetracyclinen in der Schwanger- schaft ist kontraindiziert, da es bei dem Ungeborenen zu einer irreversiblen Einlagerung von Chelatkomplexen aus Tetracyclinen und Calcium in Knochen und Zähnen kommen kann [Pertl et al., 2000]. Füllungswerkstoffe Schon seit Jahren ist der Füllungswerk- stoff Amalgam bei Schwangeren zum Schutz des Kindes kaum noch zum Einsatz gekommen. Das Europäische Parlament hat mittlerweile die Ver- wendung von Quecksilber in der Industrie und in der Medizin stark ein- geschränkt. Mit Inkrafttreten der Verordnung des Europäischen Parla- ments darf seit dem 1. Juli 2018 bei schwangeren und stillenden Frauen so- wie bei unter 15-Jährigen kein Amal- gam mehr verwendet werden. Das „Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks“ (SCENIHR) hat in einem Gutachten darauf hingewiesen, dass bei allen zahnärztlichen Werkstoffen während der Schwangerschaft besondere Zurückhaltung geboten sei, wobei dies sowohl für Amalgam als auch für Kompositkunststoffe gelte [SCENIHR, 2015; Schmalz und Widbiller, 2018]. Daher wird empfohlen, umfangreiche zahnärztliche Restaurationen erst nach der Schwangerschaft durchzuführen und währenddessen auf konventionelle Glasionomer-Zemente zurückzugreifen [Schmalz und Widbiller, 2018]. Anwendung von Fluoriden Gegen die Anwendung von Fluoriden in der Schwangerschaft bestehen kei- nerlei Bedenken. In geringen Konzen- trationen kann Fluorid zwar die Plazentaschranke frei passieren, in hohen Konzentrationen wirkt die Plazenta jedoch als Fluoridbarriere [Gedalia et al., 1964; Patcas et al., 2012]. Die Gefahr einer intrauterinen Fluorose der Milchzähne besteht somit nicht [Patcas et al., 2012]. Die systemische Fluoridierung ist bei der Kariesprävention der lokalen Fluoridierung unterlegen [König, 2002]. Eine systemische Fluoridierung während der Schwangerschaft bezie- hungsweise die pränatale Einnahme von Fluoridtabletten bietet keinen ver- mehrten Kariesschutz für das Kind [Patcas et al., 2012] In einer Placebo- kontrollierten klinischen Studie konn- ten Leverett et al. zeigen, dass Kinder im Alter von fünf Jahren, deren Mütter während der Schwangerschaft Fluorid- tabletten einnahmen, nicht weniger Karies aufwiesen als Kinder, deren Mütter keine Fluoridtabletten einge- nommen hatten [Leverett et al., 1997]. Während einer Schwangerschaft be- steht jedoch ein erhöhtes Karies- und Erosionsrisiko bei der werdenden Mutter. Darum ist eine regelmäßige lokale Fluoridierung der mütterlichen Zähne insbesondere im Rahmen der zahnärztlichen Kontrolltermine zu empfehlen. Röntgen Laut der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) ist auch bei Schwangeren eine Anwendung von Röntgenstrah- lung bei gegebener Indikation, Beach- tung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses und Einsatz von Strahlenschutzmaß- nahmen nicht eingeschränkt. Bei der Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe ist bei Schwan- geren laut StrlSchV aber geboten „alle Möglichkeiten zur Herabsetzung der Exposition dieser Person und insbeson- dere des ungeborenen Kindes auszu- schöpfen“ [Bundesgesetzblatt, 2018, Teil 1, Nr. 41]. Die schwangere Patientin sollte jedoch darüber aufgeklärt werden, dass eine ionisierende Strahlung dem Kind scha- den kann, wobei das Ausmaß von der Intensität, der Dosisverteilung und dem Zeitpunkt der Exposition abhängt [Jung, 2016]. Das Risiko bei zahnärzt- lichen Aufnahmen wird aufgrund der geringen Strahlenbelastung als ex- trem gering eingestuft [Willershausen- Zönnchen, 2001]. Doch existiert keine Schwellendosis, unterhalb der eine Be- lastung des Ungeborenen sicher ausge- schlossen werden kann [Jung, 2016; Willershausen-Zönnchen, 2001]. Aus diesem Grund sollte speziell im ersten Trimenon nur bei zwingender Indi- kation eine Röntgenuntersuchung durchgeführt werden [Willershausen- Zönnchen, 2001]. Falls eine zahnärztliche Röntgenunter- suchung unausweichlich ist, sollten – um die Strahlenbelastung möglichst minimal zu halten – hochempfindliche Filme, ein Rechtecktubus und ein Mehrfachröntgenschutz bei der Schwangeren verwendet und die An- zahl der Aufnahmen auf ein Minimum beschränkt werden [Willershausen- Zönnchen, 2001]. \ ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. PROF. DR. HÜSAMETTIN GÜNAY Medizinische Hochschule Hannover Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover Foto: MHH 56 | ZAHNMEDIZIN
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