Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (592) Wann immer dem Patienten mit Demenz eine Begleitperson zur Seite stehen kann, gewinnt er an Sicherheit, was zur Folge hat, dass auch der Infor- mationsaustausch mit dem Zahnarzt besser läuft. Daher empfiehlt Feige der Praxis, der Begleitperson schon bei der Terminvergabe insoweit entgegen- zukommen, dass sie den Arztbesuch möglichst einfach in ihren Alltag ein- planen kann. Erfahrungsgemäß ist die Begleitperson nämlich häufig das eigene Kind, das selbst arbeiten geht und gegebenenfalls noch anderen Ver- pflichtungen nachkommen muss. Ein Termin in den Abendstunden sei daher in der Regel besser zu organisieren, sagt Feige zum Thema Vereinbarkeit. Gibt es im Praxisteam eine Person, die besonders empathisch ist und im Umgang mit älteren und demenziellen Patienten sicher? Dann ist es ratsam, diese für die dauerhafte Betreuung einzusetzen. Sie sollte sogar der Sprecher während der Behandlung sein, um dem Patienten Sicherheit und Wieder- erkennung zu ermöglichen, rät Nitschke. Im Idealfall werde der Patient mit Demenz stets im selben Zimmer behandelt und habe keine Wartezeit. Ludwig empfiehlt zudem die soge- nannte Anbahnung. Das heißt, über einen kleinen Plausch und mit ersten sanften Berührungen an der Hand und am Arm wird die Behandlung ein- geleitet, anstatt direkt und ohne Umschweife im Mund zu beginnen. So könne Stress beim Patienten vermieden werden und die Behandlung werde etwas mehr zur „Nebensache“. Die Taktik der Anbahnung ist allgemein im Umgang im älteren Menschen eine erfolgreiche Strategie. SIE HABEN ZEHN MINUTEN – FÜR DAS WESENTLICHE Bei Demenz, die sich in verschiedenen Stufen entwickelt, nehmen die kogni- tiven Fähigkeiten zunehmend ab. Ab einer mittelgradigen Demenz beträgt die Aufmerksamkeitsspanne rund zehn Minuten. In dieser Zeit sollte das Wesentliche zur Behandlung erklärt werden. „Dabei muss nicht lauter, son- dern vielmehr eindeutiger gesprochen werden“, betont Expertin Feige. Für das bessere Verständnis empfiehlt sie den Einsatz von Piktogrammen oder Bildern in der Behandlungs- kommunikation, so dass das Gesagte mit eindeutigen Abbildungen verknüpft wird und dadurch kognitiv besser er- fasst werden kann. Außerdem unter- stütze das Vormachen von Handlungs- abläufen das Verständnis. Zum Beispiel könne man zeigen, dass der Mund eöffnet oder ausgespült werden soll. Für eine erfolgreiche Ablenkung dient Feige zufolge auch die Beschäftigung der Hände des Patienten – besonders, wenn er rücklings und weit nach unten gefahren auf dem Behandlungsstuhl liegt. Die Aufforderung, als helfende Hand etwas zu halten, lenke ab und binde gleichzeitig aktiv ein. Apropos: Bei dieser Lagerung heißt es fürs ganze Behandlungsteam ‚ Aspiration vermei- den‘, erinnert Ludwig. Bei Patienten mit Demenz ist das Risiko viel höher, dass bei der Nennung der eingenommenen Medikamente die Liste unvollständig ist und etwas vergessen wird. Um Kreuzwirkungen, KOMMUNIKATION MIT DEMENTEN \ Mehr Zeit für Anamnese und Behandlung einplanen \ Medikamentenabfrage schriftlich nach Hause schicken \ Gesicht zeigen – Mundschutz, Haube und Lupenbrille beim Gespräch abnehmen \ Anbahnung – langsam über Hand und Arm Kontakt aufbauen \ Langsam und deutlich sprechen \ Informationen Satz für Satz aufzählen \ Zeit fürs Verstehen einräumen \ Entspannte Atmosphäre schaffen und „plauschen“ \ Ansprache mit Vor- und Zuna- men, persönliche Merkmale als Erinnerungsanker ansprechen \ Hände des Patienten während der Behandlung beschäftigen \ Im Worst Case keinen Druck aufbauen, sondern einen neuen Termin vereinbaren Foto: Ludwig Ludwig: „Nicht nur die zahnmedizinische Behandlung selbst kann komplizierter sein, auch die Verständigung wird schwieriger.“ 82 | PRAXIS

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