Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06
zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (593) Gerinnungs- und Wundheilungs- störungen zu vermeiden, kann die Praxis ein Formular zum Ausfüllen nach Hause schicken, das dort vom Patienten in Ruhe und gegebenenfalls mit Betreuungshilfe ausgefüllt wird. Selbstverständlich kann der Patient auch seine Medikamente mitbringen – wenn er daran denkt. ENTSCHÄRFEN KÖNNEN DIE SITUATION NUR SIE Darüber hinaus hat der Zahnarzt die Möglichkeit mittels offener Fragen herauszufinden, ob und welche Mittel eingenommen werden. „Das kann bei- spielsweise so erfragt werden: ‚ Frau Müller, welches Mittel nehmen Sie gegen Ihren hohen Blutdruck?‘ – ‚ Ich nehme keins.‘ – ‚ Ach so, alles klar.‘ Oder auch : ‚ Was nehmen Sie zum Einschlafen?‘ – ‚ Das aus der Apotheke, nicht das vom Arzt.‘“, führt Feige aus und veranschaulicht zugleich, wie man auch rezeptfreie Medikamente bei der Abfrage einbezieht. Neben Verunsicherung, Angst und der Zerstreutheit, können demente Patien- ten in manchen Situationen auch aggressiv reagieren. Experte Ludwig empfiehlt dann die Techniken der Vali- dation, sprich auf den Patienten mit einer wertschätzenden Haltung einzu- gehen anstatt ihn zu konfrontieren oder zu belehren. „Der Zahnarzt kann durchaus das Verhalten des Patienten spiegeln und auf seine Gefühle eingehen. Damit signalisiert er die Wahrnehmung der Befindlichkeit und bringt Respekt entgegen, was deeskalie- rend wirkt“, verdeutlicht Ludwig. „Außerdem kann er ihm auch ganz bewusst beipflichten, etwa mit ‚ Ja, da kann man wirklich verrückt werden, das verstehe ich.‘ oder ‚ Ärgerlich ist das, ja. Und deshalb unternehmen wir jetzt etwas!‘. In brenzligen Momenten kann auch einfache Ablenkung zur Hilfe kommen.“ Wenn der Patient einen „wirklich schlechten Tag“ hat und sich gegen die Behandlung sträubt, macht es tat- sächlich Sinn, einen neuen Termin zu vereinbaren, räumt Ludwig ein. Auch das gehöre zur Deeskalation bei demenziell Erkrankten. Dann könne auch noch einmal reflektiert werden, was man anders machen kann – vielleicht eine andere Tageszeit aus- wählen und dadurch die Bereitschaft des Patienten erhöhen. Manchmal helfe es aber bereits, eine Minute Pause einzulegen und aus der Situation herauszutreten, weiß Ludwig. „Wenn ich nicht verärgert, sondern verständnisvoll reagiere, und einen Moment lang so tue, als würden wir heute keine Behandlung durchführen, reagieren Demente zum Teil wie Kinder und lassen dann doch das Vorhaben zu. Grundsätzlich empfiehlt sich, nicht alle Behandlungspunkte in einem Termin unterzubringen. Oder man startet mit einem Schritt und guckt dann, wie weit es heute geht“, so Ludwig. Lob und Geduld wirken zudem ermunternd. LÄCHELND GEBEN SIE EINFACH EINEN NEUEN TERMIN Nitschke bestätigt, dass Belehrungen keinen Erfolg bringen, sondern Ver- ständnis und Empathie die weiteren Schlüssel zum Erfolg sind. „Je stärker die Demenz beim Patienten, desto mehr muss sich der Zahnarzt zurück- nehmen!“ Vor allem dürfe die eigene Erwartungshaltung nicht zu hoch sein. „Es kann auch mal nichts klappen“, macht Ludwig klar. „Auch wenn hier das Frustpotenzial groß ist, muss man sich darauf einstellen. Dann gilt es, den Fahrplan zu ändern und Alternativen zu finden. Deshalb noch einmal: Im Vorfeld mehr eingeplante Zeit wirkt für alle entstressend.“ LL Um die Praxis für ältere Patienten mit besonderen Anforderungen barrierearm zu halten, ist es wichtig, dass das gesamte Team geschult wird. Die DGAZ bietet jährlich Curricula an. „Diese Patientengruppe wird in Zukunft immer größer. Darauf müssen die Zahnärzte vorbereitet sein.“ Dr. Elmar Ludwig, Landesbeauftragter von der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin (DGAZ) DEUTSCHLAND Österreich n Schweiz | 83
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