Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (606) VOM STUDIENVISUM ZUR EIGENEN PRAXIS „Alles ist zumutbar, wenn man es will!“ Yuvaraj Jothikrishnan aus Karur, Südindien, wollte immer Zahnarzt werden. Dass er dafür einmal nach Deutschland gehen, hier bleiben und sich niederlassen würde, lag allerdings jenseits seiner Vorstellungskraft. W o ein Wille ist, da ist auch ein Weg – dieses deutsche Sprichwort passt mustergültig auf Yuvaraj Jothikrishnan. Von den unübersichtlichen Auswahlprozessen an den Unis bis zu den von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Verfahren zur Anerken- nung des Abschlusses: Für Ausländer sind all diese Regelun- gen ziemlich undurchsichtig, berichtet Jothikrishnan. Aber dass der Weg zur deutschen Approbation einfach sein würde, hat ja auch niemand gesagt. Am Anfang stand der Plan von einem Auslandsaufenthalt in Deutschland, der die Ausbildung abrunden sollte. Nach dem Zahnmedizinstudium hatte Jothikrishnan bereits ein Jahr als Assistenzarzt gearbeitet, dann wollte er mit 26 noch einmal ins Ausland. Deutsch hatte er am Goethe-Institut ge- lernt. So weit, so bereit für das Jahr in der Fremde, aber ... „Ich musste viel Zeit investieren, um die Bürokratie zu überwinden. Die ist übrigens in Indien nicht weniger kompliziert“, erzählt der heute 34-Jährige. Von Indien aus machte er sich schlau, recherchierte zu den Unis und bewarb sich für einen Studienplatz an mehreren deutschen Universitäten. Am Ende gab ihm die Uni Marburg das Go: Hier wurde ein Großteil seiner bisherigen Abschlüsse aner- kannt und er erhielt einen Studienplatz, um die fehlenden Scheine im Fach Zahnmedizin nachzuholen. ENDLICH LAG DAS SEMESTERTICKET IN DER POST „Meine Bewerbung durchlief wie bei anderen Studenten auch ein Auswahlverfahren. Dabei kommt es darauf an, wie viele Studienplätze eine Uni vergibt, ob man Erstsemestler oder, wie ich, Quereinsteiger ist und ob es eine Warteliste gibt.“ Die verschiedenen Verfahrensstrukturen und -voraus- setzungen hätten ihn manchmal verwirrt. In der Zeit hätte er sich eine Plattform mit einer Übersicht aller Voraus- setzungen für die jeweiligen Bundesländer gewünscht. „Irgendwie habe ich mich durchgebissen“, erinnert sich Jothikrishnan. Seine Freunde hätten ihn immer motiviert und am Ende habe ihm die Marburger Uni dann ja auch das Semesterticket zugeschickt. In Marburg angekommen ging alles Schlag auf Schlag: Jothikrishnan holte im deutschen Hörsaal nach, was er für den Abschluss brauchte. Danach lernte er ein Jahr lang nur die Sprache. In dieser Zeit stellte er die Zahnmedizin zurück. „Dass ich mich in meinem Fachgebiet gut ausdrücken kann und dann auch die Patienten einwandtfrei verstehe, das war mir erst mal das Wichtigste“, erklärt er seine Motivation. Eigentlich wollte er die Weiterbildung zum Oralchirurgen angehen. Nur ein halbes Jahr nach dem Beginn seiner Assis- tenz verstarb jedoch die Praxisinhaberin und Jothikrishnan stand vor der Herausforderung, die etablierte Praxis zu über- nehmen. Über Nacht würde er ab jetzt der Praxischef sein. Wie würden die Patienten reagieren? Das war sein erster Gedanke. MIT 33 CHEF EINES SECHSKÖPFIGEN TEAMS Alle reagierten freundlich. So übernahm Jothikrishnan mit 33 Jahren eine Praxis in Neustadt, 30 Kilometer nördlich von Marburg, mit einem sechsköpfigen Team. Heute beschäftigen ihn Abrechnungs- und Steuerfragen und seine Rolle als Chef. „Das hätte ich natürlich nicht geglaubt, wenn mir das einer vorher so erzählt hätte.“ Er sei sehr glücklich über diese Chance. Seine Doktorarbeit über die Haftwirkung von Wurzelkanalfüllungen mittels Sealer und die Weiterbildung zum Oralchirurgen möchte er aber nicht aus den Augen verlieren. Zur Unterstützung sucht er deshalb Verstärkung für die Praxis. Studierenden oder Nachwuchszahnärzten, die sich auch in Deutschland bewerben wollen, will Jothikrishnan mit- geben, sich nicht zu viel Druck und Gedanken um die Zukunft zu machen. „Angst oder Zukunftssorgen dürfen einen niemals bremsen.“ LL 2013 kam Yuvaraj Jothikrishnan aus Südindien nach Deutschland. Heute, mit 34 Jahren, ist er seit einem Jahr Chef einer Zahnarztpraxis in Neustadt, Hessen. Damit hatte er nicht gerechnet! Foto: Jothikrishnan 96 | RUBRIK

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