Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07
zm 110, Nr. 7, 1.4.2020, (674) Interview mit Sanitätsrat Dr. Michael Rumpf „DIE BEHANDLUNG SOLLTE KONSISTENT UND VERTRAUT ERFOLGEN“ Wie sind Sie dazu gekommen, sich als Zahnarzt in einem MZEB zu engagieren? Dr. Michael Rumpf: Im Oktober 2016 wurde in der Rheinhessen-Fachklinik in Mainz das erste MZEB in Rheinland-Pfalz eröffnet. Der damalige Leiter der Klinik, Dr. Helmut Peters, den ich seit vielen Jahre kenne, sprach mich an, ob ich eine zahnärztliche konsiliarische Tätigkeit an der Klinik übernehmen könne. Daraus entwickelte sich eine intensive Zusammenarbeit, die darin besteht, dass ich mehrmals jährlich Untersuchungen und Prophylaxeunterweisungen in der Klinik vornehme. Behandlungsbedürftige Patienten werden dann vom Hauszahnarzt oder mir in der Praxis betreut. Was sind die medizinischen Besonderheiten bei der Behandlung von erwachsenen Menschen mit geistiger und Mehrfachbehinderung? Bei Menschen mit komplexen Behinderungen kommt es aufgrund schwerwiegender Erkrankungen – wie zum Beispiel Zerebralparesen, angeborene Fehlbildung des ZNS oder chromosamale Störungen – zu Einschränkun- gen in wesentlichen Bereichen. Wahrnehmung und Verhalten sind verändert, die Kommunikationsfähigkeit, das Kontextverständnis und die Mitarbeitsmöglichkeit sind oft kaum oder gar nicht vorhanden. Die Motorik und die Sensibilität sind meist deutlich eingeschränkt. Was sollten Zahnärzte bei der Behandlung beachten? Bei diesen Patienten kommt es häufig zu Wahrnehmungs- störungen, die sich in unterschiedlichen Dimensionen zeigen. Körperlich kommt es zu Irritationen durch leichte Reizungen und zu einer scheinbar reduzierten Schmerz- empfindung. Zeitlich sind die Patienten irritiert durch die Frequenz der sensorischen Einflüsse, was häufig zu einer nicht abschätzbaren Impulsivität führt. Sozial wirkt oft der enge Kontakt verstörend, die Patienten zeigen ein autistisches Verhalten, dass sich aber sehr rasch ändern kann. Räumlich fällt es ihnen schwer, sich in die Umgebung zu integrieren. Zahlreiche Patienten können, besonders bei umfang- reichen Sanierungen, nur in ITN behandelt werden. Dennoch gelingt es unter günstigen Voraussetzungen oft, sie ambulant zu versorgen. Dazu gehören ein barriere- freier Zugang zur Praxis, eine geschickte Terminierung und die Behandlungsumgebung reizarm vorzubereiten. Grundvoraussetzung für die Behandlung: Zeit und Ruhe mitbringen. Die Behandlung sollte konsistent und vertraut erfolgen, das heißt gleicher Raum, gleiche Umgebung und die Anwesenheit von vertrauten Personen. Auch ablenkendes Spielzeug oder Kuscheltiere können zu einem Behandlungserfolg beitragen. Die Kommunikation sollte entspannt stattfinden, der Behandler sollte den Patienten ruhig, aber bestimmt in kurzen Sätzen ansprechen. Die Fragen stellte Gabriele Prchala. DR. MICHAEL RUMPF ... ist Ehrenpräsident der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz und Zahnarzt in Mainz. Foto: privat Dr. Michael Rumpf bei der Untersuchung einer Patientin 32 | POLITIK
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