Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07
zm 110, Nr. 7, 1.4.2020, (692) ÜBERWACHTES MONITORING IM LANGZEITVERLAUF Reparierte Restaurationen 20+ Hans Jörg Staehle Nachdem wir mit den Beiträgen von Prof. Dr. Bernd Haller, Ulm, in den zm-Ausgaben 3/2020 und 4/2020 Techniken zur Reparatur direkter und indirekter Restaurationen vorgestellt haben, präsentiert dieser Beitrag von Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle, Heidelberg, Patientenfälle mit reparierten Restaurationen, die über Jahrzehnte nachbeobachtet und dokumentiert wurden. Mit vergleichsweise geringem Aufwand ließen sich die Überlebensraten auf 20 Jahre und teilweise sogar weit mehr steigern – bei maximaler Schonung der Zahnsubstanz. Gleichzeitig wird in den Langzeitbeobachtungen deutlich, dass die konservierende Zahnheilkunde bereits vor Jahrzehnten über äußerst langlebige Materialien und Techniken verfügte. Im Hinblick auf Lebensdauer und Funktionalität liegt die Messlatte für die heutigen, ästhetisch anspruchsvolleren Lösungen also sehr hoch. D ie Möglichkeiten, defekte zahn- ärztliche Restaurationen zuver- lässig zu reparieren, wurden in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. Reparaturrestaurationen sind „frugale Interventionen“, die mit vergleichsweise sparsamem Mittel- einsatz dazu beitragen können, orale Strukturen zu schonen. In diesem Beitrag geht es um die Frage, wie sich reparierte Restaurationen im Langzeitverlauf präsentieren. Dazu wurde ein Mindestalter der Restaura- tion von 20 Jahren („20+“) gewählt. Exemplarisch wurden reparierte Res- taurationen aus Amalgam, Komposit, Keramik, Gussmetall und Verbund- metallkeramik (VMK) herangezogen. Die vorgestellten Verläufe sind zwar nicht repräsentativ, bestätigen aber die positiven Einschätzungen aus der Literatur [Casagrande et al., 2017; Fernandez et al., 2015; Frankenberger et al., 2015; Frese und Schick, 2019; Haller, 2020a und b; Hickel et al., 2013; Kanzow und Wiegand, 2019; Kanzow et al., 2019; Loomans und Ozcan, 2016; Lührs, 2015; Opdam et al., 2012; Ozcan, 2014 und 2015; Ozcan und Volpato, 2016; Staehle 2009, 2011, 2014, 2015; Staehle et al., 2014, 2015, 2016; Valente et al., 2016], die Reparaturrestaurationen einen zunehmend wichtigeren Stellenwert einräumen. AMALGAMRESTAURATIONEN Bedingt durch die Amalgamdiskussionen wegen befürchteter Intoxikationen, die Ende des 20. Jahrhunderts einen Höhe- punkt erfuhren, wurden (und werden immer noch) zahlreiche intakte Amal- gamrestaurationen entfernt, auch wenn sich keine klinisch relevanten Schäden an den Zahnhartsubstanzen, dem Endodont, dem Parodont und/ oder der Funktion zeigen und die betroffenen Patienten keine sie stö- renden ästhetischen oder sonstigen Einbußen aufweisen. Wenn heute in einem Lehrbuch oder Fachartikel das technische Vorgehen einer neueren direkten oder indirekten Restaurationsform beschrieben werden soll, präsentieren die Autoren oft ein klinisches Ausgangsbild mit der Kenn- zeichnung „insuffiziente Amalgam- füllung(en)“. Bei näherer Betrachtung kommt allerdings mitunter die Frage auf, ob wirklich klinisch relevante Insuffizienzen vorlagen oder ob man (aus welchen Gründen auch immer) eine eher vordergründige Begründung für Restaurationserneuerungen suchte. In Abbildung 1 werden etwa 30 Jahre alte Amalgamrestaurationen einer 60-jährigen Patientin gezeigt. Die Patientin wünschte eine Beratung mit der Frage: „Plomben erneuerungs- bedürftig?“. Eine klinische und röntge- nografische Untersuchung ergab keine Hinweise auf klinisch relevante Schäden, die ein sofortiges Eingreifen erforder- lich gemacht hätten. Die Patientin wurde darüber aufgeklärt, dass bei ihr ein erhöhtes Risiko für Frakturen an den Restaurationen oder an den Zahn- hartsubstanzen bestehe, die man aller- dings im Eintrittsfall restaurativ angehen könne. Sie favorisierte zunächst ein Monitoring (Belassen und Beobachten). Acht Jahre später wurde wegen einer Randleistenfraktur eines Molaren eine Reparaturrestauration eingebracht (Abbildung 2). Sechzehn Jahre später wurden zwei weitere kleine Korrek- turen vorgenommen (Abbildung 3). Nach 20 Jahren (Abbildung 4) war die nunmehr 80-jährige Patientin mit ihren inzwischen circa 50 Jahre alten Amalgamfüllungen immer noch sehr zufrieden. Vor diesem Hintergrund er- scheint es angebracht, Restaurationen nicht voreilig als „insuffizient“ zu betrachten. PROF. DR. DR. HANS JÖRG STAEHLE Poliklinik für Zahnerhaltungskunde der Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten des Universitätsklinikums Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg hansjoerg.staehle@med.uni-heidelberg.de Foto: Uniklinikum Heidelberg 50 | ZAHNMEDIZIN
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