Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07
zm 110, Nr. 7, 1.4.2020, (718) ZM-SERIE: TÄTER UND VERFOLGTE IM „DRITTEN REICH“ Ewald Fabian – Zahnarzt, kritischer Publizist, Widerstandskämpfer Matthis Krischel, Thorsten Halling Während schätzungsweise 1.300 Zahnärzte bereits vor 1933 Mitglied der NSDAP geworden waren 1 , gab es auch im linken politischen Spektrum Vertreter der Zahnheilkunde. Einer von ihnen war Ewald Fabian. Bereits in der Weimarer Republik in sozialistischen und sozialdemokratischen Kreisen aktiv, musste er nach 1933 aus Deutschland fliehen und erreichte über Prag und Paris die USA. F abian wurde 1885 in Berlin gebo- ren, in Greifswald studierte er Zahnmedizin. 1907 erhielt er die Approbation und wurde dort 1920 promoviert. Den Ersten Weltkrieg ver- brachte er als „feindlicher Ausländer“ in französischer Zivilgefangenschaft. 2 Nach Kriegsende kehrte er nach Berlin zurück und wurde in der Weimarer Republik nacheinander Mitglied unter- schiedlicher politischer Parteien und Gruppen des linken Spektrums: Zu- nächst schloss er sich dem Spartakus- bund und der Unabhängigen Sozial- demokratischen Partei Deutschlands (USPD) an, die die Zustimmung der deutschen Sozialdemokraten zum Ersten Weltkrieg kritisierten. Später wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD), dann ihrer Abspal- tung KPD-O (Kommunistische Partei- Opposition), um dann 1931 zu den Gründungsmitgliedern der Sozialis- tischen Arbeiterpartei (SAP) zu zählen. 3 Dentistenberufs und die Etablierung eines zahnärztlichen „Einheitsstandes“ ein. Doch da die mehrmals wechseln- den „Reichsdentistenführer“ zum Teil gegenläufige Interessen verfolgten, kam es bis 1945 nicht zu einer Lösung. Erst 1949 (DDR) beziehungsweise 1952 (Bundesrepublik) wurde der „Einheits- stand“ Realität. 32 ER SAH SICH NICHT ALS NAZI IM LANDLÄUFIGEN SINN Nach Kriegsende blieb Stuck zunächst unbehelligt. Erst am 20. Mai 1945 wurde er verhaftet und in das Spezial- lager Jamlitz eingeliefert. Im April 1947 wurde er ins sowjetische „Speziallager Nr. 2 Buchenwald“ verlegt, im Juli 1948 entlassen und im Herbst des- selben Jahres einem Entnazifizierungs- verfahren zugeführt. Im April 1950 er- klärte ihn der Spruchkammerausschuss Berlin-Steglitz dann für rehabilitiert. Wie die allermeisten NS-Verantwort- lichen 33 konnte somit auch Stuck seine Karriere fortsetzen. Ohnehin hatte er bereits fünf Wochen nach seiner Haft- entlassung in Berlin bei beschränkter Arbeitserlaubnis eine neue Zahnarzt- praxis übernommen, die ein emigrierter Kollege hinterlassen hatte. Im Oktober 1950 zog Stuck dann mit seiner Familie nach Westdeutschland, wo er in Kre- feld eine eigene Praxis gründete. Seine Kassenzulassung endete Ende 1957; er blieb jedoch bis zum Jahreswechsel 1970/71 als Zahnarzt tätig. Daneben engagierte er sich für das in Köln beheimatete „Forschungsinstitut für Geschichte der Zahnheilkunde“. Seit 1962 war er wieder Mitglied der DGZMK; zudem hielt er „Verbindung zu nun führenden Persönlichkeiten des Zahnärztestandes“ wie Erich Müller und Fritz Witt. 34 Stuck starb am 20. November 1974 in Uerdingen. Obwohl von ihm bis zum Jahr 1945 zahllose national- sozialistische Äußerungen und Parolen dokumentiert sind, sah er sich selbst rückblickend nicht als „Nazi im land- läufigen Sinne“ und „ein bedingungs- los gläubiger Anhänger Hitlers“ sei er 35 ohnehin nie gewesen. 36 1933 klang dies noch durchaus anders, denn damals schrieb Stuck aus Anlass von Hitlers Geburtstag: „Der Reichsverband der Zahnärzte Deutschlands grüßt in hei- liger Zuversicht den geliebten Kanzler und Befreier aus tiefster deutscher Not.“ 37 ! Quelle: zm Archiv - Artikel von Ernst Stuck in der zm 30 (1939), 84 32 Groß, 2019, 37f. u. 175–179; 33 Groß, 2018d; Groß/Krischel, 2020; 34 Vogt, 2013, 68f.; 35 Stuck, 1968, Bl. 5a; 36 Stuck, 1968, Bl. 6; 37 Klee, 2013, 611; 1 Krischel et al., 2017, 477–480; 2 Loewenstein und Tennstedt, 1980; 3 Kirchhoff, 1987, 137 76 | GESELLSCHAFT
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