Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07

zm 110, Nr. 7, 1.4.2020, (719) An diesem Beispiel zeigt sich, wie zersplittert die politische Linke in der Zwischenkriegszeit war. 4 Dies gilt als einer der Gründe, weshalb sich kein geschlossener Widerstand gegen die Nationalsozialisten formieren konnte. 5 Heute wird Fabian vor allem als Herausgeber des zwischen 1934 und 1939 erschienenen „Internationalen Ärztlichen Bulletins“, als Vorstands- mitglied 6 des bis 1933 bestehenden „Vereins sozialistischer Ärzte“ und als Herausgeber und Autor in seiner Zeitschrift „Der sozialistische Arzt“ erinnert. 7 Bereits in der Weimarer Republik hatte er dabei gegen die Monarchie und für den Sozialismus geschrieben. Neben allgemeinen gesundheitspolitischen und sozialhygienischen Themen wandte sich Fabian immer wieder der Zahngesundheit zu. 1927 forderte er etwa die Einführung der unentgelt- lichen zahnärztlichen Behandlung in allen öffentlichen Krankenhäusern. Er begründete dies mit der großen Bedeutung der Mundhygiene für die „Volksgesundheit“. Fabian schloss sei- nen Beitrag mit dem konkreten Appell, die Behandlung in „Stadtgemeinden mit sozialistischer Mehrheit“ bald um- zusetzen. 8 RASSISMUS IST FÜR IHN „UNWISSENSCHAFTLICH“ Es überrascht nicht, dass Fabian 1930 „törichte Angriffe gegen Kranken- kassen und Sozialversicherungen“ ab- lehnte, die er etwa in den Zahnärzt- lichen Mitteilungen gelesen habe. Gleichzeitig sind seine Positionen in anderen gesundheitspolitischen Fragen der Zeit differenzierter. Er sprach sich gegen einen „Klinikzwang“ aus, bei dem Krankenkassen zum Teil nur die Behandlung in von ihnen selbst betrie- benen Zahnkliniken übernahmen. Dies stehe jedoch nicht im Gegensatz zur Forderung des Vereins sozialis- tischer Ärzte nach „gut geleiteten, nur das Interesse der Werktätigen vertre- tenden Ambulatorien“. Fabian kritisierte zudem die „Willkür in der Zulassung zur Krankenkassenbehandlung“, war also hier auch den Kassen gegenüber kritisch. In der „Zahntechnikerfrage“ – dem von der Zahnärzteschaft lange bemängelten Umstand, dass Dentisten ohne Universitätsstudium weiterhin zur Patientenbehandlung zugelassen waren – gibt Fabian Argumente des Bonner Professors Alfred Kantorowicz wieder, der „auf Grund praktischer Erfahrungen eine handwerksmäßige Ausbildung zum Studium der Zahn- heilkunde oder gar zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs für unzureichend“ hielt. Man solle sich in Zukunft an an- deren Staaten wie „Sowjet-Rußland, Amerika [und] Oesterreich“ orientieren, wo auf der Basis von „wissenschaft- lichen Grundsätzen und Arbeits- methoden“ entschieden worden sei, die Zahnheilkunde nur durch universitär ausgebildete Zahnärzte durchführen zu lassen. Hier stand Fabian also ganz auf der Seite der Mehrheit der Zahnärzte in Deutschland. 9 Bereits 1931 kritisierte Fabian Rassismus und Antisemitismus, die Säulen der nationalsozialistischen Gesundheits- politik darstellten. „Wissenschaftlichen Rassismus“ und Rassenreinheit 10 be- zeichnete er als Fanatismus und nicht am Stand von Anthropologie und Wissenschaft orientiert. Antisemitis- mus erklärte er als falsche Reaktion auf „alle Schäden des kapitalistischen Sys- tems, für jede Krise auch im ärztlichen Beruf“. 11 REDAKTEUR IM KAMPF GEGEN DEN FASCHISMUS Nach der Machtübernahme der Na- tionalsozialisten wurde Fabian 1933 die Kassenzulassung entzogen. Sein Name findet sich nicht im jüdischen Adressbuch für Groß-Berlin und in einer „Ausschlussliste“ wird er nicht als jüdischer, sondern als „staatsfeind- licher“ Zahnarzt geführt. 12 Alle acht hier verzeichneten Zahnärzte, die als politisch missliebig verfolgt wurden, ohne gleichzeitig von den National- sozialisten als „nicht arisch“ klassifi- ziert worden zu sein, waren jüdischer Abstammung. Michael Köhn berichtet, dass Fabian noch im Juli 1933 Beschwerde gegen den Entzug der Kassenzulassung einlegte, die jedoch abgelehnt wurde. Nachdem er als So- zialist in Berlin-Plötzensee inhaftiert wurde und seine Schwester ihn „frei- kaufen“ konnte, floh Fabian noch im gleichen Jahr nach Prag, wo er illegal in der Praxis des Prager Kollegen und Vorsitzenden der Prager Gruppe sozial- demokratischer Ärzte Karl Tamele TÄTER UND VERFOLGTE Die Reihe „Zahnärzte als Täter und Verfolgte im ‚Dritten Reich‘“ läuft das gesamte Kalenderjahr 2020. In der zm 8/2020 folgen Helmut Kunz und Josef Elkan, in der zm 9/2020 Walter Sonntag und Jenny Cohen. DR. MATTHIS KRISCHEL Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf matthis.krischel@hhu.de Foto: privat Foto: Wikimedia Commons, Creative Ewald Fabian 4 Kaak, 1971; 5 Peukert, 1987; 6 o. A. (1925) Vereinsmitteilungen. Mitteilungsblatt des Vereins sozialistischer Aerzte 1 (1), 5; 7 o. A. (1926) Der Sozialistische Arzt 2 (1), 1; 8 Fabian, 1927, 40–41; 9 Fabian, 1930, 79–80; 10 Kressing und Krischel, 2016, 19–41; 11 Fabian, 1931, 22; 12 Verzeichnis der nichtarischen und staatsfeindlichen Ärzte, Zahnärzte und Dentisten, Signatur 55/82/2600 | 77

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