Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07

zm 110, Nr. 7, 1.4.2020, (724) ÄRZTE BERICHTEN AUS BERGAMO „Das Coronavirus ist das Ebola der Reichen!“ In der wohlhabenden Lombardei liegt das Epizentrum Italiens, besonders in der Stadt Bergamo gerät der Ausbruch mehr und mehr außer Kontrolle. Erschöpfte Ärzte eines Krankenhauses wagen eine erste Analyse: Gefordert ist ein langfristiger Plan für die nächste Pandemie, denn eine solche Katastrophe kann ihrer Ansicht nach überall stattfinden. D ie Lombardei ist eine der reichs- ten und am dichtesten besiedel- ten Regionen Europas – und am stärksten vom Coronavirus betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldete am 18. März 74.346 im Labor bestätigte Fälle in Europa – fast die Hälfte (35.713) in Italien. Davon sind zu diesem Zeitpunkt allein in Bergamo mit seinen 120.000 Einwohnern 4.305 Infizierte verzeichnet – mehr als in Mailand oder anderswo im Land. Auch das dortige Krankenhaus Papa Giovanni XXIII., eine brandneue, hochmoderne Einrichtung mit 48 Intensivbetten, ist hochgradig konta- miniert. „Wir sind weit über den Kipp- punkt hinaus“, schreiben die Ärzte um Mirco Nacoti in ihrem am 21. März er- schienen Artikel. Insgesamt 300 von 900 Betten sind mit Covid-19-Patienten belegt, 70 Prozent hat man für schwere Verlaufsfälle mit realer Überlebens- chance reserviert. „Die Situation hier ist düster, da wir weit unter unserem normalen Versorgungsstandard ar- beiten“, skizzieren die Mediziner ihre Lage. DAS KRANKENHAUS IST VÖLLIG KONTAMINIERT Wartezeiten auf ein Intensivpflegebett betragen demnach Stunden, ältere Pa- tienten werden nicht wiederbelebt und sterben ohne angemessene Palliativ- versorgung allein, während die Familie telefonisch benachrichtigt wird – „oft mit guter Absicht von einem erschöpf- ten und emotional erschöpften Arzt ohne vorherigen Kontakt“. In der Umgebung scheinen die Zustände jedoch noch schlimmer: Die meisten Krankenhäuser seien überfüllt und kurz vor dem Zusammenbruch. Die Patienten lägen auf Bodenmatratzen. Medikamente, mechanische Beatmungs- geräte, Sauerstoff und persönliche Schutzausrüstung stünden nicht zur Verfügung. In den Krankenhäusern versuchen die Ärzte und das Pflegepersonal derweil verzweifelt, das System funktionsfähig zu halten, heißt es in dem Beitrag. Außerhalb würden Impfprogramme gestoppt, die Vorsorge werde völlig vernachlässigt und selbst die Erbrin- gung von Standardleistungen wie etwa Entbindungen sei problematisch. Mitten in dieser Krise, schreiben die Ärzte, erfahren sie, dass die Kranken- häuser zu den Hauptüberträgern von Covid-19 zählen, weil der Virus dort schnell auf nicht infizierte Patienten übertragen wird. Zu den Vektoren gehören auch Krankenwagen und das Personal, das teilweise asympto- matische Verläufe zeigte oder bei ent- sprechenden Anzeichen nicht über- wacht wurde. „In der Folge sterben Ärzte und Pfleger, darunter auch junge Menschen, was den Stress der Men- schen an der Front erhöht“, bilanziert Nacoti. Dieser Ausbruch sei Ausdruck einer Krise des öffentlichen Gesundheits- wesens, lautet das Fazit der Autoren. Die westlichen Gesundheitssysteme seien um das Konzept der patienten- Foto: Massimo Paolone/LaPresse via ZUMA Press Die Konvois der italienischen Armee transportieren die Leichen der Verstorbenen aus Bergamo zum Friedhof von Ferrara, wo sie eingeäschert werden. 82 | MEDIZIN

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