Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07
zm 110, Nr. 7, 1.4.2020, (728) Unsere Ankunft wurde sehnlichst er- wartet. Wie lange die Kinder hier wohl schon so diszipliniert stehen? Es gibt weder eine Uhr noch ein Telefon, wo- mit wir unsere genaue Ankunft hätten terminieren können. In einem Spalier aufgereiht bilden die Kinder für uns einen Weg zum Schul- hof und werfen Blüten über uns – ein Empfang wie für eine Königsfamilie. Auf dem Schulhof reihen sie sich ohne Gedränge neu ein, um dann in Ruhe die Landesflagge zu hissen und die Nationalhymne zu singen. Trotz aller Armut überreichen sie ein Geschenk – für jeden von uns einen Strohhut. Die- ser nützliche Hut sollte uns von da an auf unserer Expedition begleiten und vor der Mittagssonne schützen. Was hatte Charlothine den Kindern wohl über unseren Besuch erzählt? Dass eine kleine Gruppe Weißer kommt, die sie im Internet angeschrieben hat und Zahnbürsten bringt? Wissen die Kinder überhaupt, was Internet ist? Sie kennen ja nicht einmal einen Füller. Vor 13 Jahren wurde hier auf Charlothines Initiative eine Schule für damals 26 Kinder errichtet. Mittlerweile werden 500 Kinder von 11 Lehrern unterrichtet. Einige von ihnen nehmen einen zehn Kilometer langen Schulweg auf sich – zu Fuß, einen Bus gibt es nicht. Um 7 Uhr beginnt der Unterricht, am späten Nachmittag ist Ende. In den acht Klassenräumen sitzen in einer Bank bis zu sieben Kinder! Manche stehen, da es keine Sitzgelegenheit gibt. Bücher und Stifte fehlen. Ge- schrieben wird auf kleine Schiefer- tafeln. Die Schule ist ein geziegelter Raum mit Schrank, Schulbänken aus Holz und einemWellblechdach. In der Regenzeit müssen die Kinder vor Ein- bruch des Regens wieder nach Hause geschickt werden. Der Regen prasselt so laut auf das Dach, dass kein Unter- richt mehr möglich ist. Seit Kurzem gibt es einen Brunnen, jedoch kein fließendes Wasser. Insgesamt gibt es zu wenig Platz für alle in der Schule. SYNCHRON SCHUBSEN WIR DIE KRÜMEL AUS DEM MUND Wir platzieren unsere Pakete auf die Schulbänke. Zwischen aufgestapelten Zahnbürsten zeigen wir, wie sich Zahn- pasta ganz einfach selbst herstellen lässt. Aus fünf Zutaten mixen wir in der Mittagssonne einen Pfefferminzbrei. Unterdessen zeige ich Bilder von kariösen Kinderzähnen. Charlothine übersetzt. Süßigkeiten und Limonade sind lecker, zerstören aber auf Dauer die Zähne und lassen sie braun aussehen. Jedes Kind erhält eine Zahnbürste. Auch für ihre Eltern dürfen sie eine Bürste aus Bambus mit nach Hause nehmen. Ich will zeigen, wie man eine Zahn- bürste benutzt. Die meisten Kinder halten heute zum ersten Mal in ihrem Leben so ein Ding in der Hand. Skep- tisch schauen sie auf die eingepackten bunten Stäbe mit Borsten daran. „Ich muss den Kindern erklären, dass sie keine Angst davor haben brauchen“, sagt Charlothine. Ich packe die Bürsten aus und gebe sie den Kindern in die Hand. Auch ich habe meine Zahnbürste dabei. Wir malen damit Kreise auf die Zähne und schubsen die Krümel aus dem Mund. In Berlin fragen mich Eltern oft, wie sie ihre Kinder zum Putzen motivieren können. Hier führen die Kleinsten ihre bunten Bürsten mit einer filigranen Feinmotorik durch den Mund. Ich staune! Keine Abwehrhaltung, alle machen mit und kopieren mit einer Seelenruhe meine Putzvorführung. Die Lehrer sind motiviert. Sie sollen die Kinder ans tägliche Putzen erinnern. Charlothine verspricht akribisch da- rauf zu achten und die Mundhygiene weiterzuführen. Stichprobenartig schaue ich in die kleinen Münder. Überall Karies, teil- weise von desaströsem Ausmaß. Ob wir auch Füllungen legen können, fragt Charlothine. Ohne Strom und fließendes Wasser ist das nicht möglich, sage ich. Sie überlegt und schmiedet im Kopf schon Pläne, wie sie Strom und zahnärztliches Equipment hierher bringen könnte, sehe ich ihr an. Ob wir wiederkommen, fragt sie uns. Das wäre schön. Gern würde ich noch einmal in diese herzlich strahlenden Kinderaugen schauen. Wie schön wäre es, wenn diese Schule zur ersten Zahnputzschule Madagas- kars wird. Zum Abschluss haben die Lehrer noch ein kleines Picknick für uns zubereitet. Mit Dankbarkeit und Lächeln verabschieden sie uns. Da- nach geht es in unserem Jeep zurück nach Antananarivo. Nun weiß ich, dass unsere zahnärztlichen Spenden wirklich ankommen und geschätzt werden. Unsere Mission ist beendet – doch ist sie hier hoffentlich nur ein Anfang. \ Die Räumlichkeiten sind extrem spartanisch und es gibt viel zu wenig Platz für die rund 500 Schüler hier. Gemeinsam mixten wir einen Pfefferminzbrei als Zahnpasta. Fotos: Dr. Alexandra Wolf und Robert Kujas
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