Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08
zm 110, Nr. 8, 16.4.2020, (777) Wuhan mit 16 Satelliten-Zentren im ganzen Land. Im Jahr 2019 wurden dort mit 1.098 Mitarbeitern und 828 Studenten 890.000 Patienten be- handelt. Bis zum 21. Januar 2020 wurden in der Zahnklinik 56.000 Patienten – of- fensichtlich ohne Kenntnis des Pro- blems – unter üblichen Bedingungen mit Behandlungskittel und Einweg- Mundschutz behandelt. Ab dem 22. Januar standen dann auch (vereinzelt) FFP2-Masken und Einmal- kittel zur Verfügung, ab dem 28. Januar darüberhinaus Schutzbrillen und Schutzanzüge. Nach der staatlichen Be- schränkung auf Notfallbehandlungen am 27. Januar wurde das zahnmedizi- nische Personal zum großen Teil zur Unterstützung in der medizinischen Klinik eingesetzt. Welt.de berichtete am 19. März 2020 von einem Pressegespräch, das vier lei- tende Allgemeinmediziner aus Wuhan gaben. Mangelndes Verständnis der Krankheit und fehlende Schutzausrüs- tung habe im Januar dazu geführt, dass sich Tausende von Mitarbeitern des Gesundheitswesens bei der Behand- lung von Patienten infiziert hätten. Mindestens 46 Ärzte und Kranken- hausbedienstete seien gestorben. Die Bereiche HNO und Ophtalmologie seien besonders betroffen gewesen. WIE VIELE ZAHNÄRZTE UND ZFA HABEN SICH INFIZIERT? Wie stellt sich die Situation in der Zahnmedizin dar? Zhuan Bian berich- tet, dass bis zum heutigen Tag unter den Mitarbeitern der Zahnklinik neun COVID-19-Erkrankungen aufgetreten seien: 3 Zahnärzte, 3 ZFA, 2 Verwal- tungsmitarbeiterinnen und ein post- gradualer Student. Eine genaue Analy- se dieser neun Fälle habe ergeben, dass sich drei der Betroffenen vermutlich nicht im dienstlichen Umfeld infiziert hatten. Von Todesfällen wird nicht be- richtet. Nicht klar ist, ob die Studenten in dieser Aufstellung enthalten sind. Wenn man sie nicht berücksichtigt, wäre eine Infektionsquote von 0,8 Prozent beim zahnmedizinischen Per- sonal aufgetreten. Nun mag man fragen, ob Bian verläss- liche Zahlen präsentiert. Der zentrale Vorwurf, der die chinesische Staats- führung trifft, ist, das Problem einen Monat lang ignoriert und vertuscht zu haben. Dazu werden dann von offiziel- ler Seite für den Januar so geringe Er- krankungszahlen in der Bevölkerung genannt, dass dies definitiv nicht zu einem Beginn der Epidemie im November passt und den Lockdown am 24. Januar schon gar nicht erklärt. Warum kommuniziert man dann aber die erschreckend hohen Erkrankungs- zahlen des medizinischen Personals so erstaunlich offen? Dafür kann es eigentlich nur einen Grund geben: Die chinesische Regierung möchte eine klare Warnung an die Medizin senden, Hygienemaßnahmen zukünftig ernster zu nehmen und besser umzusetzen. Vor diesem Hintergrund würde es aus staatlicher Sicht wenig Sinn machen, zahnmedizinisches Personal in falscher Sicherheit zu wiegen, insbesondere dann nicht, wenn man hier „Super- spreader“ vermuten müsste. WAS LERNEN WIR? Bian führt die äußerst geringe Infektions- rate im zahnärztlichen Bereich auf die konsequente Nutzung von Mund- Nase-Schutz (MNS) zurück. In der kri- tischen Phase stand „nur“ der einfache MNS zur Verfügung. Bis zum 21. Januar gab es offenbar keine besonderen Einschränkungen der zahnärztlichen Tätigkeit und jeder Mitarbeiter der Zahnklinik hatte rechnerisch seit Dezember 100 Patientenkontakte in einem Gebiet mit sehr hoher Infek- tionsrate der Bevölkerung. Bians Interpretation ist klar: Zahn- medizin beherrscht den Selbst- und Patientenschutz, die Allgemeinmedizin sehr oft leider nicht. Die Einschätzun- gen Bians zum einfachen Mundschutz wurden bereits in einer großen Influenza-Studie in den USA und einer SARS-Studie in Kanada bestätigt. Beide Studien vermochten tatsächlich keinen Unterschied zu FFP2-Masken zu erkennen. \ Foto: Axentis.de Prof. Dr. Christoph Benz, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer POLITIK | 15
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