Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08
zm 110, Nr. 8, 16.4.2020, (819) Beispiel hierfür stellt die in diesem Fall- bericht beschriebene Extrusion von Zähnen dar. Diese ist als Alternative zur Extraktion schon vielfach beschrieben worden und hat sich im klinischen Alltag be- währt [Heithersay et al., 1973; Becker et al., 1975; Johnson et al., 1986; Assif et al., 1991; Smidt et al., 2005; Ingber et al., 1976; Proffit et al., 2000; Jafarzadeh et al., 2007; Simon et al., 1984]. Stim- men die Grundvoraussetzungen und auch die Compliance des Patienten, so können mit relativ guter Vorhersagbar- keit ästhetisch und funktionell gute Ergebnisse mit guter Langzeitprognose erzielt werden. Wichtig ist hierbei die engmaschige Betreuung der Patienten, um den Fortschritt beurteilen und die Kräfte entsprechend anpassen zu können. Im vorliegenden Fall haben wir uns für die Extrusion mittels Häk- chen und Gummizügen und gegen die Extrusion mittels Magneten ent- schieden, um den Substanzverlust so gering wie möglich zu halten. Auch bei scheinbar nicht optimalen Grundvoraussetzungen – wie einem zu erwartenden nicht ganz idealen Kronen-Wurzel-Verhältnis (1:1) – scheint die kieferothopädische Extrusion als Behandlungsoption nicht direkt ausge- schlossen werden zu müssen. Auf dem im Fall gezeigten OPG (Abbildung 9) stellen sich die Zahnwurzeln von 14 und 15 im kontralateralen Vergleich deutlich kürzer dar als die der Zähne 24 und 25. Die elektronische Messlänge bei der Revision der endodontischen Behandlung von Zahn 15 vor Eingliede- rung des Langzeitprovisoriums betrug lediglich 12mm. Dennoch wiesen die Zähne 14 und 15 nach der Retentions- phase keine Lockerungsgrade auf, so- dass die Autoren in der vermeintlich geringen Wurzellänge keine unbedingte Kontraindikation für das Ziel der Zahn- erhaltung sehen. Auch wenn in diesem Fall die unterschiedliche Zahnlänge der Prämolaren im kontralateralen Ver- gleich klar mit der Extrusion der Zähne 14 und 15 zu erklären ist, stellen kiefer- orthopädische Bewegungen auch eine mögliche Ursache für die Verkürzung von Zahnwurzeln durch Resorptionen dar. Auch in der direkten Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der kieferortho- pädischen Extrusion scheinen die Vor- teile die Nachteile einer Extrusion zu überwiegen. Zwar ist, aufgrund der langen Behandlungsdauer mit vielen Sitzungen, vor allem die Compliance des Patienten sehr wichtig, dafür wird der Patient am Ende der Behandlung mit dem Erhalt der eigenen Zähne belohnt. Die Nachbarzähne werden geschont, da auf eine Brückenpräpara- tion verzichtet werden kann, auch die andere mögliche Behandlungs- alternative – eine Implantation mit den damit verbundenen Risiken – wird umgangen. Besondere Bedeutung kommt diesen Umständen bei der Behandlung jugendlicher Patienten zu. Bei ihnen ist eine Implantation noch nicht möglich, auch eine klassische prothetische Brückenversorgung ist bei noch nicht abgeschlossenem Wachstum kontraindiziert. Ist das Wachstum ab- geschlossen und eine Brückenversor- gung möglich, wird sich der Behandler wohl dennoch eher schwer tun, durch das Beschleifen naturgesunder Zähne gesunde Zahnhartsubstanz zu opfern. Bei Einzelzahnlücken stellen Klebe- brücken eine gut erprobte, substanz- schonende Alternative dar. Im hier be- schriebenen Fall schien die Versorgung mittels Klebebrücke nicht sinnvoll, da die Größe der Lücke mit zwei fehlen- den Zähnen die Indikation für Klebe- brücken im Seitenzahnbereich über- schreitet [Kern et al., 2007]. Ein weiterer Vorteil der kieferortho- pädischen Extrusion liegt im Erhalt der interdentalen Papillen-Ästhetik und somit im Erreichen eines ästhetisch an- sprechenden Gesamtergebnisses. Abschließend lässt sich resümieren, dass die kieferorthopädische Extrusion ein gangbarer Weg scheint, auch bei tief zerstörten Zähnen den Weg der Zahnerhaltung zu beschreiten. \ Fotos Abb.2 bis Abb. 12: Praxis Dres. König Abb. 12: OPG-Zustand drei Monate nach Eingliederung der LZPVs, angefertigt zur Lagebeurteilung der 8er ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 12 | 57
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=