Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08

zm 110, Nr. 8, 16.4.2020, (829) Patienten mit einem kompromittierten Immunsystem, mit Diabetes mellitus, mit Alkoholismus oder mit Anämie haben ein gehäuftes Auftreten dieser schwerwiegenden Erkrankung [Käm- merer et al., 2017; Mtenga et al., 2019; Gunaratne et al., 2018]. Risikofaktoren für eine mediastinale Ausbreitung sind das Vorliegen von prähospitaler Gluko- kortikoideinnahme und eine pharyn- geal lokalisierte Ursache [Nougue et al., 2015; Petitpas et al., 2012]. Die definitive Diagnose erfolgt durch die chirurgische Exploration. Hierbei sind nekrotische Veränderungen der Muskulatur, der Faszie und der Haut beweisend, pathognomonisch kann auch „spülwasserartiger“ Eiter auf- treten – stark übel riechendes, bräun- liches Wundexsudat [Gunaratne et al., 2018]. Die pathologische Beurteilung des entfernten Gewebes zeigt eine Kol- liquationsnekrose mit Thrombosierung umliegender Gefäße. Die Standardtherapie besteht in der frühen chirurgischen Therapie durch Debridement in Kombination mit einer interdisziplinären Betreuung unter Einbezug der Mikrobiologie und der Intensivmedizin [Stone and Martin, 1972; Gunaratne et al., 2018; Hua et al., 2018]. Eine rasche Tracheotomie zur Atem- wegssicherung sollte in Betracht gezo- gen werden [Gunaratne et al., 2018]. Die chirurgische Therapie muss mit ei- ner Antibiotika-Therapie verbunden werden [Stone and Martin, 1972; Gu- naratne et al., 2018, Kujath and Eck- mann, 1998], da die chirurgische Thera- pie alleine in einer erhöhten Mortalität resultiert [Stone and Martin, 1972]. Eine supportive Therapie mit hyperba- rer Sauerstofftherapie kann die Morta- lität und die Anzahl an chirurgischen Eingriffen verringern [Gunaratne et al., 2018; Fauno Thrane and Ovesen, 2019]. In Einzelfällen kann eine „mini- mal-invasive“ Therapie mit Katheter- drainage erfolgen [Sumi et al., 2008]. Eine Kombination mit einer Vakuum- assistierten Therapie kann ebenfalls zur Unterstützung der chirurgischen Behandlung eingeleitet werden [Balci et al., 2018; Chen et al., 2019]. Für Er- folge durch eine adjuvante Therapie mit Immunoglobulinen gibt es bis jetzt keine klare Evidenz [Gunaratne et al., 2018; Hua et al., 2018]. Mikrobiologisch kann eine Streptokok- ken-Infektion (61 Prozent) oder eine aerob-anaerobe Mischinfektion vorlie- gen, in seltenen Fällen (3 Prozent) ist kein Erregernachweis möglich. Bei odontogenem Fokus liegen häufig Streptokokken, Bacteroides und Prevo- tella-Bakterienstämme vor [Gunaratne et al., 2018]. Die antibiotische Therapie sollte initial kalkuliert breit aufgestellt sein und nach dem mikrobiologischen Nachweis spezifisch angepasst werden. Langfristige Outcomes sind für die Patientengruppe der Kopf-Hals-Region nicht publiziert, eine generelle Auswer- tung von „nekrotisierenden Fasziitis“- Patienten zeigte eine reduzierte physische, soziale und emotionale Funktion, ins- besondere in Bezug auf das veränderte Aussehen [Kruppa et al., 2019]. Für die Kopf-Hals-Region sind diese Ergebnisse gegebenenfalls nur einge- schränkt übertragbar, weil hier auch jene Patienten mit Extremitäten- Amputationen eingeschlossen sind. Von einer Einschränkung der Patienten durch die veränderte Ästhetik ist im Kopf-Hals-Bereich, insbesondere bei der Notwendigkeit von Hautresektio- nen und sekundärer Rekonstruktion, wahrscheinlich auszugehen. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Die nekrotisierende Fasziitis ist eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die als Komplikation einer dentogenen Entzündung auftreten kann. \ Typische Auslöser sind Infektionen der Unterkiefermolaren. \ Patienten mit Diabetes mellitus, Immunsuppression oder Alkoholis- mus haben ein erhöhtes Risiko, eine nekrotisierende Fasziitis zu entwickeln. Abbildung 5: abschließende chirurgische Exploration mit sauberem Granulationsgewebe submandibulär (a), mandibulär (b) und cervikal (c) CME AUF ZM-ONLINE Nekrotisierende Fasziitis Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie 2 CME- Punkte der BZÄK/ DGZMK. 5a Fotos: Kämmerer 5b 5c | 67

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