Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08
zm 110, Nr. 8, 16.4.2020, (837) Korrespondenz stammt aus den Jahren 1965/1966. Von sich selbst übermittelte Elkan vor allem Dokumente zu seinem Dienst an der Ostfront im Ersten Weltkrieg und Gutachten und Empfehlungsschreiben, die er nach 1933 von früheren Vor- gesetzten und Kollegen eingeholt hatte, offenbar bereits mit dem Ziel der Emigration vor Augen. Anhand der Biografie Elkans kann auch Erfahrungs- mustern deutscher Juden nachgegan- gen werden, die als Überlebende des Holocaust trotz der persönlichen Ver- folgungserfahrung nach 1945 den Kontakt in die alte Heimat suchten. 6 VOLLER PATRIOTISMUS IN DEN ERSTEN WELTKRIEG Josef Elkan wurde am 9. Januar 1885 als Sohn eines Kaufmanns in Wesel geboren. Sein älter Bruder Sally (1876–1932) war bereit als Zahnarzt in Mülheim/Ruhr niedergelassen, als Josef in Heidelberg Zahnmedizin studierte. 1905 legt er dort zusammen mit Hermann Euler (1878–1961) 7 das Staatsexamen ab. Zur weiteren Ausbildung verbrachte er ein Jahr in der Privatklinik des aus Finn- land stammenden Gösta Hahl in Berlin, um dort die Anfertigung von Kiefer- schienen zu erlernen, was ihm „im 1. Weltkrieg sehr zu Nutze kam“ 8 . Es folgte eine weitere Assistenzzeit bei dem überregional bekannten Arzt und Zahnarzt Sammy Philipp 9 in Lüne- burg. Dort war auch schon sein Bruder Sally Assistent gewesen. 10 Im Anschluss ließ sich Elkan in Düssel- dorf an gehobener Adresse (Königsallee 68) in eigener Praxis nieder. Im Ersten Weltkrieg diente er zunächst als Sanitäts- unteroffizier, dann als Zahnarzt an der Ostfront. 1915 erhielt er das Eiserne Kreuz II. Klasse. Jahre später heißt es in einem Empfehlungsschreiben: „In dieser Zeit hat Herr Elkan – und darin liegt sein besonderes Verdienst – gerade auf dem so schwierigen und damals noch sehr vernachlässigten Gebiete der chirurgisch-orthopädischen Behand- lung der Kieferverletzungen ganz Hervorragendes geleistet.“ 11 Ähnlich anerkennend äußert sich auch ein zweiter Gutachter „über seine Tätigkeit im grossen Krieg sehr gern und aus voller Überzeugung“ 12 . Elkan gehörte also zur großen Gruppe jüdischer Kriegsfreiwilliger, die das Deutsche Reich als ihr Vaterland verstanden, vielfach in der Hoffnung auf eine wirkliche Gleichstellung. 13 Zugleich war er Mitglied im Hilfsverein der Deutschen Juden, 14 der bereits seit 1901 die wirtschaftliche und kulturelle Lage der Juden in Osteuropa verbessern wollte und deren Auswanderung nach Übersee unterstützte. 15 Nicht überliefert ist, wie groß auch bei Elkan die Ent- täuschung über die weitgehend aus- bleibende Anerkennung der jüdischen Frontsoldaten und den nach Kriegs- ende zunehmenden Antisemitismus gewesen sein mag. 16 Nach dem Krieg nahm Elkan seine zahnärztliche Praxis in Düsseldorf wie- der auf, begann an der Universität zu Köln eine zahnmedizinische Disserta- tion und wurde 1921 bei Karl Zilkens (1876–1967) mit dem Thema „Ueber die Häufigkeit des Zungencarcinoms auf luetischer Grundlage“ promoviert. 17 In der Folgezeit galt sein wissenschaft- liches Interesse der Paradentose- behandlung. Bei Oskar Weski (1878–1952), der 1924 zusammen mit Hans Sachs (1881–1974) und Robert Neumann (1882–1958) die Arbeits- gemeinschaft für Paradentosen-For- schung (ARPA) gründete, belegte er entsprechende Fortbildungskurse. KENNER DER PARADENTOSEN „IN VOLLKOMMENEM MAßE“ 1928 trat Elkan auf Bitte von Otto Loos (1871–1936) der ARPA als Beirat bei. 18 Unter den veränderten politischen Ver- hältnissen bescheinigte ihm der zahn- 6 Bannasch/Rupp, 2018; 7 Groß, Zahnärztliche Mitteilungen 108 (12), S. 1404–1405; 8 Schreiben Josef Elkan an Fritz H. Witt vom 12.7.1966, in: HA BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 9 Auch der evangelisch getaufte Philipp musste emigrieren. Er flüchtete 1936 mit seiner Familie nach Palästina; 10 Schreiben Josef Elkan an Fritz H. Witt vom 13.10.1966, in: HA BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 11 Zeugnis vom 17.4.1933, Prof. med. W. Krauss, O. Prof. an der Medizinischen Akademie in Düsseldorf, früher Stabs- und Chefarzt d. Res. Feldlaz. 81 und der 47. Res. San. Komp. Der 47 Res. Div., in: HA BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 12 Zeugnis vom 27.1.1934, Dr. Rüger, Generaloberarzt a.D. im Feld Divisionsarzt der 47. Reserve Division, in: HA BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 13 Madigan/ Reuveni, 2019; 14 Elfter Geschäftsbericht (1913) des Hilfsvereins der Deutschen Juden, erstattet der Generalversammlung am, Bände 11–12, S. 23; 15 Hamann, 2016, 2, S. 6–10; 16 Tarcal, 2014; 17 Elkan, Med. Diss., 1921. o. O. Foto: Historisches Archiv der Bundeszahnärztekammer Abb. 1: Zahnersatzherstellung in Russland, Stab der 47. Res. Div., ca. 1916, rechts: Josef Elkan DR. MATTHIS KRISCHEL Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf matthis.krischel@hhu.de Foto: privat ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden.
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