Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08
zm 110, Nr. 8, 16.4.2020, (838) ärztliche Reichsdozentenführer 19 Loos 1935, kurz vor Elkans Emigration nach Großbritannien: „Wissenschaftlich und praktisch beherrscht er die Klinik und Therapie der Paradentosen in voll- kommenem Masse“. 20 Oskar Weski be- scheinigte ihm: „Herr Dr. Elkan gehört zu den besten Kennern der Paradentose- belange, sowohl was die Diagnostik und Indikationsstellung wie auch die Therapie dieses neuen zahnärztlichen Arbeitsgebietes betrifft.“ 21 Beiden Gut- achten, so meinte Elkan rückblickend, „verdanke ich auch, dass ich hier [im englischen Exil] noch zugelassen wurde.“ 22 Elkan war darüber hinaus offenbar auch technisch begabt. Überliefert ist eine Patentanmeldung für eine „Hilfs- vorrichtung für zahnärztliche Mund- spiegel“ aus dem Jahr 1932. 23 Vor der Machtübernahme der National- sozialisten war Elkan in Düsseldorf auch musisch aktiv. Von seinem Talent als Sänger hatte er schon im Feld- lazarett „zur Freude der Truppen“ gern Gebrauch gemacht. 24 Zum Volkstrauer- tag 1925 trat er in einer Gedenkfeier in der Städtischen Tonhalle als Solist auf (Abbildung 2). Ebenso war er Teil des Ensembles des Städtischen Musik- vereins, das die Matthäus-Passion von J.S. Bach aufführte. 25 Sogar in einem Nachschlagewerk zu verfolgten jüdischen Musikern ist Elkan verzeichnet. 26 NEUBEGINN IM EXIL, ABER DIE ALTE HEIMAT IM HERZEN 1936 emigrierte Elkan nach Groß- britannien und wurde in das Dentist Register des British Medical Council aufgenommen. 27 Im Gegensatz zu vielen anderen Emigranten erhielt er eine Arbeitserlaubnis. Elkan ließ sich in London nieder, nahm Sprachunter- richt, verliebte sich in seine Lehrerin und gründete mit ihr noch vor Aus- bruch der Zweiten Weltkrieges eine Familie. Zunächst betrieb er gemein- sam mit dem aus Breslau stammenden Richard Engel eine Praxis, später führte er eine eigene Praxis bis 1964. 28 Elkans ersten Kontakte mit Deutsch- land nach dem Krieg organisierte ein Rechtsanwalt. In Folge eines „Wieder- gutmachungsverfahrens“ 1955/56 wurden ihm verschiedene Einmal- zahlungen unter anderem „für Schaden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen durch Verdrängung aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ sowie rückwirkend ab 1953 eine monatliche Rente zuerkannt. 29 1960 hatte Fritz Witt mit einer Postkarte an Elkan einen ersten Kontakt hergestellt. 30 In der Folge berichtete Elkan von seiner Ausbildungszeit in Berlin und Lüne- burg, seinem Kriegseinsatz in Russland und seinem späten Wirken in Groß- britannien, aber auch von jüdischen Kollegen. Witt nutzte Elkan gezielt als Zeitzeugen. 31 In den 1960er-Jahren bereiste Elkan mehrfach die Bundes- republik und besuchte unter anderem Köln, Düsseldorf und Heidelberg. 32 Elkans Enkel fassten die trotz Vertrei- bung verbliebene Affinität zur alten Heimat pointiert zusammen: „Unser Großvater sprach oft herzlich über seine Heimat, seinen Patriotismus im Ersten Weltkrieg und sein Musikleben in Düsseldorf. Als Sängerin in einem Chor denkt [die Enkelin] Ruth immer wieder an ihn, wenn sie die Bach- Passionen singt. Der Esstisch, der in der Düsseldorfer Wohnung stand, ist jetzt in ihrem Wohnzimmer.“ 33 Elkan starb 1972 im Alter von 87 Jah- ren in London. 34 Zusammen mit der in den zm veröffentlichten Familien- chronik von Hans Sachs 35 und dem Nachruf auf deren ehemaligen Schrift- leiter Fritz Salomon dokumentieren die Bemühungen Witts einen bisher wenig beachteten Versuch, bereits in den 1960er-Jahren innerhalb der deutschen Zahnärzteschaft an vertriebene jüdische Kollegen zu erinnern. Es fällt auf, dass solche Versuche unter Witts Nachfolger Robert Venter nicht fortgeführt wurden. 36 So mussten bis zu einer systematischen Würdigung der vertriebenen Kollegin- nen und Kollegen noch viele Jahre vergehen. \ 18 Schreiben des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft für Paradentosen-Forschung an Josef Elkan vom 11.7.1928, in: BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 19 Groß, Zahnärztliche Mitteilungen 110 (3), S. 148–150; 20 Gutachten vom 10.10.1935, in: BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 21 Gutachten vom 10.12.1935, in: BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 22 Schreiben Josef Elkan an Fritz. H. Witt vom 12.7.1966, in: BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 23 Dental echo 9 1934, S. 28; 24 Zeugnis vom 17.4.1933, in: HA BZÄK 02–89 (Akte Elkan); 25 Matthäus-Passion : VII. Musikvereinskonzert, Sonntag, 10. März, 18 Uhr, Tonhalle ; Bachfest der Stadt Düsseldorf zur Feier d. 200. Wiederkehr der Uraufführung der Matthäus-Passion unter Johann Sebastian Bach, erster Tag ; Voraufführg.: Samstag, 9. März, 20 Uhr, Tonhalle. Dirigent Weisbach, Hans Interpret: Peltenburg, Mia; Anday, Rosette ; Erb, Karl ; Denys, Thomas ; Grümmer, Paul ; Bachem, Hans ; Elkan, Josef ; Rohlfs-Zoll, Reinhold; 26 Elkan, Josef, * Wesel 9. I. 1885, Sgr u. Zahnarzt. Seit 1937 in Southampton (England), in: Weissweiler/Weissweiler, 1999, S. 216; 27 Zamet, 2007; 28 Schreiben Josef Elkan an Fritz H. Witt vom 12.7.1966, in: HA BZÄK 02–89; 29 Teilbescheid vom 8.9.1956, in: StA Düssel- dorf 0–1–32–830022, Bl. 18 (Wiedergutmachungsakte Josef Elkan); 30 Schreiben Josef Elkan an Fritz H. Witt vom 21.10.1965, in: HA BZÄK 02–89; 31 Schreiben Fritz H. Witt an Josef Elkan vom 19.9.1966, in: HA BZÄK 02–79 (Gösta Hahl); 32 Schreiben Josef Elkan an Fritz H. Witt vom 21.10.1965, in: HA BZÄK 02–89; 33 Die Ehrung unserer Mutter. https://www.article116exclusionsgroup.org/ehrung (25.03.2020) 34 Todesanzeige in The Gazette Supplement 1974; 35 Halling/Krischel, 2020, 150–153; 36 Schwanke/Krischel/Groß, 2016, 2–39, hier: S. 6–7 TÄTER UND VERFOLGTE Die Reihe „Zahnärzte als Täter und Verfolgte im ‚Dritten Reich‘“ läuft das gesamte Kalenderjahr 2020. In der zm 9/2020 folgen Walter Sonntag und Jenny Cohen, in der zm 10/2020 Reinhold Ritter und Erich Kohlhagen. Abb.2: Programm zur Gedenkfeier am Volkstrauertag am 1.3.1925 in Düsseldorf Foto: Historisches Archiv der Bundeszahnärztekammer 02-89 76 | GESELLSCHAFT
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