Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08

zm 110, Nr. 8, 16.4.2020, (842) Die Bezeichnung „Tauchranula“ beruht darauf, dass die genannten Pseudo- zysten über den Hinterrand des M. mylohyoideus oder durch den Muskel hindurch in den Submandibularraum „abtauchen“ [Kalra et al., 2011]. Dabei kann ein subklinisches, oft auch iatrogen gesetztes Trauma oder eine Obstruktion des Ausführungsgangs der Gl. sublingualis mit konsekutiver Speichelextravasation als Ursache in Erwägung gezogen werden [Catone et al., 1969; McGurk et al., 2008; Jain und Jain, 2014]. In der Regel zeigt sich eine weiche, asymptomatische, sub- mandibuläre Raumforderung, deren Größe kontinuierlich zunimmt oder fluktuiert und sich normalerweise in einem Bereich von 4 bis 10 cm bewegt [Gupta und Karjodkar, 2011; Kalra et al., 2011]. Die Ausdehnung folgt den zervikalen Faszien und kann bis ins Mediastinum reichen [Gupta und Karjodkar, 2011]. Tauchranulae treten üblicherweise in Verbindung mit oralen Ranulae auf, ein unabhängiges Vorkommen ist selten [Gupta und Karjodkar, 2011]. Die Prävalenz oraler Ranulae liegt bei 0,2 pro 1.000 Individuen, die Prä- valenz der Tauchranula ist unbekannt, jedoch signifikant geringer als die der oralen Ranula. Ein gehäuftes Vorkom- men wird in der dritten Lebensdekade beobachtet [Morton et al., 2010]. Die Magnetresonanztomografie ist die sensitivste Methode zur Diagnostik einer Tauchranula, wobei insbesondere in der T2-Wichtung aufgrund des Flüs- sigkeitsgehalts von einer hohen Signal- intensität des Befunds ausgegangen werden kann. Differenzialdiagnostisch können lymphatische Malformationen, Ductus-thyreoglossus-Zysten, Lipome, Dermoidzysten, weitere vaskuläre Mal- formationen oder entzündliche ver- änderte Lymphknoten in Betracht gezogen werden [AlHayek et al., 2018; Gupta und Karjodkar, 2011]. Auch eine maligne – wenngleich auch sehr seltene – Entartung zu einem oralen Plattenepithelkarzinom wurde beschrieben [Ali et al., 1990]. Therapie der Wahl in Bezug auf die Tauchranula ist die Exstirpation der Pseudozyste in Verbindung mit der Entfernung der betroffenen Gl. sub- lingualis und gegebenenfalls – wie im vorliegenden Fall aufgrund der unmit- telbaren Lagebeziehung und Größe der Zyste – auch der ipsilateralen Gl. submandibularis [Patel et al., 2009]. Dabei ist ein Aufplatzen der hauch- dünnen Umwandung häufig nicht zu vermeiden. Eine solitäre Behandlung der Zyste in Form einer Inzision oder einer Exstirpation ohne Entfernung der zumeist ursächlichen Gl. sub- lingualis ist mit einer hohen Rezidiv- rate vergesellschaftet [Gupta und Karjodkar, 2011]. Ohne das Vorliegen einer oralen Läsion ist die Tauchranula auch aufgrund ihrer Seltenheit ein klinisch und radio- logisch oftmals schwer einzuordnen- der Befund. Anamnese, Klinik, radio- logischer Befund und laborchemische Analyse des Aspirats sind hinweis- gebend auf die Diagnose. Histologisch zeigte sich im vorliegenden Fall nicht das eindeutige Bild einer Tauchranula, dies ist jedoch mutmaßlich auf den komplizierteren Verlauf mit Ent- zündungsschüben zurückzuführen. Dennoch ließen das klinische Bild einer schleimgefüllten, dünnwandigen, von der Gl. sublingualis ausgehenden Extravasationszyste und die Anamnese keinen Zweifel am Vorliegen einer Tauchranula. \ PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. TORSTEN E. REICHERT Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universitätsklinikum Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11, 93042 Regensburg Foto: privat PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. TOBIAS ETTL Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universitätsklinikum Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11, 93042 Regensburg Foto: privat 6a 6b 6c Foto: Michael Maurer Abb. 7: Befund vier Wochen post- operativ: Der Ramus marginalis n. facialis rechts zeigt keine Funktions- einschränkung. Fotos: Katja Evert Abb. 6: Histologisch zeigt sich eine gefäßreiche Pseudozystenwand (a – Originalvergößerung 100x, HE) ohne vorhandenes Epithel mit regressiven Veränderungen. Die Zystenwand ist ausgekleidet von einer CD31-positiven Zelllage (b – Originalvergrößerung 100x) mit Nachweis zahlreicher Gefäße im Stroma. Mit einem Panzytokeratinantikörper ergibt sich kein Nachweis epithelialer Anteile (c – Originalvergrößerung 100x, Antikörper AE1/3). 80 | ZAHNMEDIZIN

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