Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08
zm 110, Nr. 8, 16.4.2020, (850) MKG-CHIRURGIE Knorplig-knöchernes Choristom der Kinnweichteile Thilo Prochno, Elisabeth Hock, Jan Petersein Ein 77-jähriger Patient stellte sich nach Überweisung vom Fachzahnarzt für Oralchirurgie mit einer tastbaren, schmerzlosen Resistenz im Bereich der Kinn- weichteile paramedian links in unserer MKG-Sprechstunde vor. Diese sei von ihm zufällig bemerkt worden, eine langsame Wachstumsprogredienz wird beschrieben. Die Möglichkeit von Fremdkörpereinsprengungen wird verneint. Der Mann ist altersgerecht fit und gesund. P alpatorisch war eine knochen- harte Resistenz in den tiefen Kinnweichteilen über der Unter- kieferbasis paramedian links festzu- stellen, diese war über der Unterlage (Unterkieferknochen) verschieblich, zeigte demnach klinisch keinen direk- ten Bezug zum Unterkieferknochen. Schmerzen bestanden bei der kli- nischen Untersuchung nicht. Die Schleimhaut sowie die äußere Haut über der Resistenz waren unauffällig, stattgehabte Entzündungen derselben wurden eigenanamnestisch ausge- schlossen. Die CT-Untersuchung zeigte ein knochen- dichtes Substrat in einer Ausdehnung von 1 cm Länge, 0,7 cm Höhe und etwa 3 mm Breite in den Kinnweichteilen paramedian links ohne direkten Kontakt zum Unterkieferknochen sowie außer- halb der Kinnweichteilmuskulatur. Das mitgebrachte Orthopantomogramm war bei Überlagerungseffekt unauffällig. Bei bestehender Wachstumstendenz und zur diagnostischen Abklärung wurde mit dem Patienten die operative Entfernung des Substrats vereinbart. Über einen intraoralen Zugang wurde in Lokalanästhesie, nach Inzision der beweglichen Schleimhaut im para- medianen Unterkiefervestibulum links, das pathologische Substrat – supra- periostal vor der Kinnmuskulatur lie- gend – dargestellt und in toto exstirpiert. Dabei wurde der Nervus mentalis mit seinen Aufzweigungen geschont. Der Wundverschluss erfolgte mit resorbier- barem Nahtmaterial, der postoperative Wundheilungsverlauf gestaltete sich komplikationslos. Der histologische Befund beschrieb reifes Knorpelgewebe mit zentralen Ossifika- tionen, so dass wir die Enddiagnose „knorplig-knöchernes Choristom“ stellten. DISKUSSION Insbesondere die Kopf-Hals-Region mit ihrer komplexen embryonalen Entwicklung ist prädestiniert zur Aus- bildung von Malformationen [Odell et al.,1998]. Choristome sind tumorartige Veränderungen, die durch eine em- bryonale Entwicklungsstörung bedingt sind. Sie entstehen durch Wachstum histologisch normalen Gewebes in un- typischer Lokalisation. Der häufigste im Mundbereich vorkommende Typ besteht aus Knochen, aus Knorpel oder aus beidem. Lokalisiert sind diese knotigen Substrate in der Mittellinien- region, häufig im dorsalen Zungen- rückenbereich nahe dem Foramen caecum – circa 85 Prozent – oder im Gaumenbereich. Selten findet man Choristome mit Ursprung in anderen Gewebequalitäten, zum Beispiel im Gliagewebe, in der gastrointestinalen Schleimhaut oder im Talgdrüsengewebe [Neville et al., 2018]. Abb. 1 und 2: Ventral des Unterkiefers in den Weichteilen paramedian links: Nachweis einer 7 mm x 7 mm x 5 mm großen röntgendichten Struktur mit gelappter, aber glatter Berandung, deren Dichtewerte annähernd die von Knochen erreichen (bis 1.240 HE); kein Bezug zum Unterkieferknochen; kein Anhalt für ein infiltratives Wachs- tum in die Umgebung Abb. 3: Operationspräparat (Maßangabe: Zentimeter) Fotos 1 und 2: Jan Petersein Foto: Thilo Prochno 1 2 3 DR. MED. DR. MED. DENT. THILO PROCHNO Helios Klinikum Bad Saarow Abteilung für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie/Plastische Operationen Pieskower Str. 33, 15526 Bad Saarow Thilo.Prochno@helios-gesundheit.de Foto: Rene Reichert 88 | ZAHNMEDIZIN
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