Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08

zm 110, Nr. 8, 16.4.2020, (851) Knöcherne/knorplige Choristome sind sehr selten, schmerzlos, langsam wach- send und stellen sich beim Tasten hart dar. Bevorzugt treten sie in der zweiten bis dritten Lebensdekade auf, Frauen sind dreimal häufiger betroffen. Die Therapie besteht aus der chirurgischen Entfernung, Rezidive nach kompletter Entfernung treten nicht auf [Neville et al., 2018]. Eine inkomplette Entfer- nung hat das Potenzial, neuen Knorpel oder Knochen zu generieren [Pandey et al., 2012]. Das knorplige Choristom wurde erst- mals von J. Berry 1890 beschrieben, hier im Bereich des Zungenrückens [Berry, 1890]. Seltene Lokalisationen von Choristomen sind die Alveolar- fortsatz- und die Wangenschleimhaut, die Tonsillenregion sowie der Lippen- bereich [Tosios et al., 1993; Sultani et al., 1983; Norris et al., 2012; Kim et al., 2009; Halley et al., 2014]. Im Wesentlichen existieren zwei Hypothesen zur Entstehung von Choristomen: eine mit entwicklungs- geschichtlichem und eine mit posttrau- matischem (reaktivem) Hintergrund [Vered et al., 1998]. Die entwicklungs- geschichtliche Hypothese postuliert die Entstehung von Choristomen aus me- senchymalen primordialen Keimzellen oder verbliebenen Kiemenbogenresten [Lin et al., 2013]. Die posttraumatische sieht Choristome als Ergebnis meta- plastischer Knochendifferenzierung nach mechanischem Trauma. Diese Er- klärung liegt zum Beispiel auch der posttraumatischen Myositis ossificans und der dystrophen Kalzifizierung zu- grunde [Bernard et al., 1989]. Traumatische Reize sind in der Mund- höhle häufig vorhanden, was insbesondere der Entstehung von Cho- ristomen im Bereich von Zunge, Gau- men, Wangen- und Alveolarfortsatz- schleimhaut Vorschub leisten kann. Die Tonsillenregion wiederum ist für Entzündungsreize prädestiniert, dann als reaktiver Reiz für die Entstehung von Choristomen. Die Lokalisation eines knorplig- knöchernen Choristoms im Bereich der Unterlippe/Kinnweichteile ist nach unseren klinischen Erfahrungen selten. In der Datenbank Medline sind nur wenige Choristome der Unterlippe und nur eines der Kinnweichteile be- schrieben [Kim et al., 2009; Shibasaki et al., 2013; Halley et al., 2014; Sahay et al., 2017]. Als Genese von Unterlippenchoristomen ist die posttraumatische Hypothese denkbar, die Entstehung eines Choris- toms der Submentalregion ist damit eher nicht zu erklären. Eine schlüssige, allgemeingültige Erklärung für die Ätiologie von Choristomen kann keine der beiden Hypothesen [Vered et al., 1998] liefern. \ Abb. 4: Knorpelige Heterotopie: von teils bindegewebiger Kapsel umgebenes, scharf begrenztes, mehrfach lobuliertes, reifes, hyalines Knorpelgewebe; Übergang in ossifiziertes, spongiöses Knochengewebe; in den Zwischenräumen reifes Fettgewebe ohne Hämatopoese (Ausschnitt der Läsion in HE, 2x) Abb. 5: Hyaliner Knorpel mit homogener eosinophiler Zwischensubstanz, in die Chondrozyten teils mit perinukleärer Lakunen- bildung eingelagert sind; Ossifikationszone (Ausschnittvergrößerung, HE, 10x) Foto: Elisabeth Hock Foto: Elisabeth Hock ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 4 5 DR. MED. ELISABETH HOCK Helios Klinikum Bad Saarow Institut für Pathologie Pieskower Str. 33, 15526 Bad Saarow Foto: privat DR. MED. DIPL.-PHYS. JAN PETERSEIN Helios Klinikum Bad Saarow Institut für Radiologie Pieskower Str. 33, 15526 Bad Saarow Foto: privat FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Choristome im Allgemeinen und knorplig- knöcherne Choristome im Speziellen sind in der Mundhöhle seltene gutartige tumorartige Veränderungen. \ Man findet in nur wenigen Fällen knorplig- knöcherne Choristome im Bereich der Unterlippe und noch seltener in der Kinnregion. \ Diese sollten im Fall langsam wachsender, in der Regel schmerzloser, harter Veränderun- gen ohne Bezug zum Unterkieferknochen oder der äußeren Haut in die diagnostischen Überlegungen einbezogen werden. \ Die Therapie der Wahl ist die vollständige Exstirpation. \ Rezidive sind bei kompletter Entfernung un- wahrscheinlich, Zweittumore sind theoretisch möglich, Beschreibungen darüber sind in der verfügbaren Literatur nicht zu finden. | 89

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