Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 110, Nr. 9, 1.5.2020, (876) CORONA-KRISE NACH CORONA IST VOR CORONA ... Vernebelt das Aerosol die Sicht auf das RKI oder werden wir im Nebel stehen gelassen? So kann und müssen wir es doch wohl sehen! Das sonst mit erhobenem Zeigefinger agierende Institut schweigt. Wie kann es denn sein, dass beim „Coronatest“ in voller Schutzmontur gearbeitet werden muss, um ein Wattestäbchen in den Mund zu führen, und im Gegensatz dazu für uns keine Empfehlung zu hören ist, wie wir uns schützen können oder was überhaupt zu tun ist? Systemrelevanz oder Himmelfahrtskommando? Der einzige Berufsstand mit Nähe und Aerosol sind wir. Bei aller Tragik dieser Weltkrise, bewegt es mich aber sehr, wie im Moment hinderliche Gesetze und Verordnungen im Sekundentakt außer Kraft gesetzt werden. Ebenso, dass unsere politischen Spaßbremsen und Dauerkritiker verstummt sind. Aber sie werden zurückkommen. Und damit beginnt die alte Leier von vorne. Ein altes Sprichwort sagt: „Der Fisch stinkt vom Kopf her“. Was mussten wir da bisher schon alles ertragen? Unakademische, unmoralische Androhungen von Honorar- kürzungen bei Nichtumsetzungen. Formularberge für Qualitätsmanagment, Hygienepläne, Medizinprodukte- gesetze etc., trotz Be-/Auslastung mit der Patientenarbeit. Geschäftsmäßige Zwangsfortbildung, mit den großteils immer gleichen Themen. Opfersamstage für das Röntgen (seit dem Röntgenschein hat sich doch nur die Verordnung geändert!) und, und, und. Abspeckung ist angesagt! Deshalb mein Appell, ja eine Forderung (auch im Namen aller Kollegen/innen/d, die ich kenne) an unsere Standes- vertreter aller Couleur: Trennen sie diesen stinkenden Kopf ab! Wir können den Geruch nicht mehr ertragen! Befreien sie uns von Juristen, Beamten und Ökonomen, die sich berufen fühlen uns hineinzureden. Die nicht beraten, sondern gängeln und dabei gut verdienen. Wir möchten wieder das tun, was wir können. Mund-Kiefer-Zahnheil- kunde. So wie es war, geht das nicht mehr. Auch Richtung Work-Life-Balance der jüngeren Generation denken! Dafür müssen aber unsere Vertreter das Zepter wieder in die Hand nehmen. Notfalls das Skalpell. Die Corona-Tage zeigen, was möglich ist. Wir müssen uns neu aufstellen. Befreien … wieder Freiberufler werden! Aber vermutlich bleibt alles bei dem üblichen, abgedrosche- nen Gefloskel und wohlwollenden Lächeln – auch unserer Standesvertreter. Manfred Gast, Frankenthal PERMANENTER DRUCK LÄSST DEN SPAß SCHWINDEN WAS UNTERSCHEIDET ZAHNÄRZTE VON TIERÄRZTEN? zm 7/2020 Ich habe gerade die aktuelle zm gelesen (7/2020) und schon nach den ersten 26 Seiten habe ich keine Lust mehr. Über den Artikel auf Seite 34 konnte ich dann nur noch müde schmunzeln. Ich bin wirklich frustriert und die Selbstständigkeit macht mir keinen Spaß mehr! Und ich muss noch ein paar Jahre machen ... Es liegt so viel im Argen: die fehlende GOZ-Novellierung, immer weiter steigende Anforderungen und Reglementierungen „von oben“ an die Hygiene, Validierungsprozesse, Administration, Dokumentation, Datenschutz, Qualitätsmanagement, TI, Ausbildung und Weiterbildung von uns und dem Praxispersonal, Personal- management und, und, und. Die Punktwerte bleiben nahezu unver- änderte Punktwerte bei steigenden Auflagen und dem Anspruch der Patienten, dass sie für ihre Versicherungsbeiträge auch eine Highend-Lösung bekommen – high end für low budget. Wir sind nicht mehr nur Zahnärzte. Wir müssen auch noch Controller, Steuerberater/BWLer und Projekt- und Praxismanager sein. Und weil wir aber nun mal nur Geld verdienen, wenn wir den Bohrer in der Hand haben, und nicht, wenn wir am Schreib- tisch unsere Praxis managen, müssen wir externe Praxisberater einstellen, die uns den Rücken zum Bohren freihalten. Das ist doch echt nicht mehr normal! Aktuell in der Corona-Krise: Wir sollen – nein, es wird empfohlen – auf Notdienstbehandlung um(zu)stellen. Die Notdienstpauschale dürfen wir aber nicht abrechnen – clever! Die Entwicklung hin zu großen Versorgungszentren wundert mich überhaupt nicht. Die normale Einzelbehandlerpraxis lohnt sich durch den enormen Kostenapparat kaum noch. Meine Vorgänger-Zahnärztegeneration wäre trotz einer Corona-Krise nicht in eine wirtschaftliche Schief- lage geraten! Und jetzt wird schon bei drei Wochen gejault – und es hat ja keine Praxis gänzlich geschlossen. Wenn ich als Einzelpraxis im Sommer drei Wochen Betriebsferien mache, habe ich auch keine Umsätze, aber volle Kosten – geht doch auch? Wieso schafft es die Bundestierärztekammer eigentlich mit der Bundesregierung eine Novellierung ihrer Gebührenordnung zu verhandeln und bei uns Ärzten und Zahnärzten gelingt das seit Jahren nicht? Ich überlege tatsächlich, meine Kassenzulassung abzugeben und überdenke die Konsequenzen. Wenn ich vor sieben Jahren gewusst hätte, dass ich als selbstständige Zahnärztin permanent wie ein Hamster im Rad bin … Mit freundlichen, aber traurigen Grüßen Dr. Lea Wiemer, Flensburg 10 | LESERFORUM
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