Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 110, Nr. 9, 1.5.2020, (900) STATEMENT VON DER DGMZK Es gibt für diese Krise kein Handbuch Die Fakten von heute sind zum Teil morgen schon wieder hinfällig. Deshalb kann auch die Orientierungshilfe der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) nur eine Momentaufnahme sein, betont ihr Präsident Prof. Roland Frankenberger. Vor diesem Hintergrund gibt er hier zehn Empfehlungen in der Corona-Krise. E s geht uns in diesen Tagen allen ähnlich: Wir reiben uns ungläu- big die Augen und verstehen die Welt nicht mehr in Anbetracht der Umstände, die uns ein 150 Nanometer großes Virus innerhalb weniger Wo- chen beschert hat. Die Restriktionen unseres täglichen Lebens haben ein bislang nie gekanntes Ausmaß ange- nommen und niemand kann im Moment eine sichere Zeitschiene vor- hersagen, wie und wann sich das wie- der in Richtung Normalität bewegt. Daher sind auch „Stand heute“ oder „im Moment“ sehr häufig gebrauchte Begriffe geworden, welche in allen Belangen vor allem eines bedeuten: Es gibt für diese Krise kein Handbuch. Hinzukommt eine schier unglaubliche Dynamik der Trends und Ereignisse, manche Fakten sind innerhalb einer Woche schon wieder obsolet. Genau hier ist auch die primäre Schwierigkeit der wissenschaftlichen Zahnmedizin verortet, und die vertritt die DGZMK als Dachorganisation aller wissenschaftlichen Fachgesellschaften im trilateralen Miteinander mit BZÄK und KZBV. Die DGZMK orientiert sich an der Wissenschaft, kümmert sich ne- ben dem wissenschaftlichen Nach- wuchs um Leitlinien und Evidenz und vertritt diese im zahnmedizinischen Kontext, ohne die Fachgesellschaften zu bevormunden. Der Vorstand der DGZMK beobachtet aber auch, dass die Zahnärzte in diesen Tagen von massiven Sorgen gesundheitlicher und wirtschaftlicher Natur heimgesucht werden 1 , komplettiert durch die Ver- unsicherung der Patienten, die durch tägliche Meldungen in Presse und Fernsehen nicht reduziert wird – im Gegenteil. BERUFSETHIK – IN DIESER ZEIT VON UNSCHÄTZBAREM WERT Seit Beginn der Pandemie befinden wir uns daher in unserem Vorstand auf der einen und den Fachgesellschaften auf der anderen Seite in fast täglichem Austausch, was wir unseren Mitglie- dern in dieser epochalen Corona-Krise anbieten können. Auch wenn die Da- tenlage im Kontext „Zahnmedizin und Covid-19“ aufgrund der Aktualität noch nicht ausreichend sein kann, ist trotzdem bereits überraschend viel publiziert worden 1–6 . Zum einen sei auf die ausführlichen Vorlagen von KZBV und IDZ verwiesen 7 sowie weitere Handlungsempfehlungen der Bundes- zahnärztekammer 8 , die bereits eine hervorragende Grundlage für jeden Zahnarzt darstellen. Zum anderen hat sich auch der Arbeitskreis Ethik in der DGZMK bereits positioniert 9 . Es ist mir ein besonderes Anliegen, darauf hinzu- weisen, da die Berufsethik in dieser Kri- se von unschätzbaremWert für uns ist. Wie sehen nun konkrete Empfehlun- gen aus, wenn man versucht, diese auf valide wissenschaftliche Fakten zu stüt- zen? Zunächst und vorab: In unserer Universitätszahnklinik wurde seit 16. März 2020 auf reinen Not-/Schmerzbe- trieb umgestellt. Dies war jedoch in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass unser Klinikum den Routinebe- trieb aller Kliniken reduzierte, um der zu erwartenden Verknappung von Schutzausrüstung effektiv zu begeg- nen. Als dann wenige Tage später bundesweit die Ausgangsbeschränkung beschlossen wurde, schien dieses Konzept in Anbetracht aller Fakten zu diesem Zeitpunkt vernünftig zu sein, unzählige Terminabsagen von verunsi- cherten Patienten betätigten dieses Vorgehen. Staatsexamina wurden an das Phantom verlegt oder ganz verschoben, der erste Teil des Sommer- semesters findet in der ganzen Bundes- republik zunächst rein virtuell statt, wann ein geregelter Unterricht am Pa- tienten beginnen kann, ist völlig offen und stellt uns in der Universitätszahn- medizin vor große Herausforderun- gen 10 . Auch der ursprünglich geplante Einstieg in die neue Approbationsord- nung wird wohl um ein Jahr verscho- ben werden müssen 10 . WIR DÜRFEN UNS NICHT WEGDUCKEN Eine wissenschaftsgeleitete Zahnmedi- zin muss sich vor dem Hintergrund der aktuellen Krise die fundamentale Frage stellen: Wenn nun fast alle zahn- ärztlichen Maßnahmen beliebig ver- schiebbar erscheinen, wo ordnet sich dann der medizinische Wert unseres Tuns ein, beziehungsweise wo ist die sogenannte „Systemrelevanz“ der Zahnmedizin? Als im ersten Not- standsgesetz der Bundesregierung 11 dann auch prompt die Zahnmedizin nicht erwähnt wurde, war ebendiese Frage extrem akut. Die Antwort ist: Wenn wir eine medizinische Disziplin sind, dürfen wir uns in dieser Krise nicht wegducken. Wir müssen für un- sere Patienten da sein und mit Ver- nunft, Augenmaß sowie gesundem Menschenverstand agieren. Folgende Foto:AdobeStock_ Thaut Images 34 | POLITIK

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