Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 110, Nr. 9, 1.5.2020, (916) stellt die Restaurations-Innenseite keine mechanische Grenzfläche mehr dar, an der rissauslösende Zugspannungen wirksam werden können. Dies führt zu einer erheblichen Erhöhung der Belast- barkeit, so dass Silikatkeramiken mit relativ geringer Festigkeit und ausge- prägter Ästhetik auch im Seitenzahn- bereich eingesetzt werden können. Frankenberger stellte fest, dass selbst- adhäsive Komposit-Zemente für den schwierigen Dentinverbund geeignet sind (Abbildung 4). Mit ihren licht- optischen Eigenschaften bieten sie gegenüber Phosphat- oder Glasionomer- zementen den deutlichen Vorteil einer höheren Transluzenz. NEUE WERKSTOFFE – NEUE VERBINDUNGEN In der Entwicklung keramischer Werk- stoffe für die Zahnheilkunde wurde stets versucht, über das Verhältnis von Biegefestigkeit und Transluzenz ein perfektes Material für vollkeramische Restaurationen zu finden. Es sollte sowohl mit seinen lichtoptischen Eigenschaften überzeugen als auch in möglichst dünnen Schichtstärken mit hoher Kantenstabilität verarbeitet werden können. Eine Vielfalt an unter- schiedlichen Zusammensetzungen der Materialien sowie der Verbund verschiedener Werkstoffe und die Ent- wicklung neuer Zusammensetzungen der kristallinen Struktur eines Materials wurden entwickelt. Auch der Einsatz von Keramik als Material für Implan- tate rückte langsam in den Fokus. 2007 legte Dr. Constanze Müller eine Arbeit zum Thema Aluminiumoxid- verstärktes Zirkonoxid als Implantat- werkstoff vor. Gleich zwei Arbeiten in 2012 beschäftigten sich mit dem Ver- bund von Zirkonoxid und Verblend- keramik. Der erste Preis ging an PD Dr. Ulrich Lohbauer für seine mikro- strukturellen Untersuchungen an der Grenzfläche zwischen Zirkonoxid und Verblendkeramik. Dr. Gerd Göstemeyer erhielt eine Anerkennung für seine Bewerbung „Einfluss der Abkühl- geschwindigkeit auf den Haftverbund zwischen Zirkoniumdioxid und Ver- blendkeramik“. Mit einem experimen- tellen CAD/CAM-Komposit beschäftig- te sich das Preisträgerteam PD Dr. Jan-Frederik Güth, Prof. Dr. Daniel Edelhoff und Dr. Kurt Erdelt in einer 2016 ausgezeichneten Studie. Dabei verglichen sie konkret das Verschleiß- verhalten von monolithischen Restau- rationen aus Komposit und Lithium- disilikat-Keramik. Der jüngste Forschungspreis der AG Keramik 2019 ging an das Autoren- team PD Dr. Sven Rinke, MSc. und Dr. Tim Hausdörfer, Universitäts- medizin Göttingen, sowie Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Universität Leipzig. Mit ihrer Arbeit lotete das Autorenteam die Minimal-Grenzen der Wandstärken bei zirkonoxidverstärktem Lithiumsilikat aus. Die prämierte, prospektive Studie Foto: Frankenberger Abb. 4: Versuchsaufbau und Ergebnis der Studie zum Einfluss der Adhäsivtechnik auf die Schmelzintegrität von Prof. Roland Frankenberger „Heute versorgen wir natürliche Zähne und Implantate erfolgssicher mit einem großen Spektrum festsitzender Restaurationen“ PD Dr. Sven Rinke, M.Sc., Preisträger des Forschungspreises der AG Keramik 2019, beschreibt die Entwicklung der keramischen Werkstoffe in der Zahn- heilkunde aus seiner Erfahrung als Wissenschaftler und niedergelassener Zahnarzt mit Praxis in Hanau. „Vor 20 Jahren waren vollkeramische Werkstoffe in ihrem Indikationsbereich im Wesentlichen auf Einzelzahn- restaurationen beschränkt. Moderne vollkeramische Werkstoffe wie hochfeste Glas- oder Zirkonoxidkeramiken bieten heute jedoch die Möglichkeit, natürliche Zähne und Implantate erfolgssicher mit einem großen Spektrum festsitzender Restaurationen zu versorgen. Möglich wurde diese Entwicklung insbesondere durch die Weiterentwicklung computer- gestützter Fertigungsverfahren (CAD/ CAM-Technologie). Die CAD/CAM-Prozes- se erlauben die Verarbeitung von Zirkon- oxidkeramiken im dentaltechnischen Maß- stab und hat auch die Möglichkeiten der Chairside-Fertigung vollkeramischer Res- taurationen vorangetrieben. Die kontinuierliche Weiterentwicklung keramischer Werkstoffe mit verbesserter Transluzenz bei gleichzeitig hoher Dauerbiegefestigkeit hat darüber hinaus die Fertigung monolithischer Restaurationen ermöglicht. Der Verzicht auf eine Verwendung von Verblend- keramiken ist ein wichtiger Schritt zur Reduktion technischer Komplikationen. Die verbesserte Festigkeit keramischer Werkstoffe erlaubt zudem eine Reduktion der erforderlichen Materialmindestschicht- stärken bei vollkeramischen Restaurationen und verstärkt damit den minimalinvasiven Charakter derartiger Versorgungen. Vor diesem Hintergrund ist weiterhin ein verstärktes Interesse an vollkeramischen Restaurationen zu erwarten.“ Foto: AG Keramik 50 | ZAHNMEDIZIN

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