Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 110, Nr. 9, 1.5.2020, (945) Heimatdorf eingefallen seien und wahllos umher geschossen hätten. Er habe Glück gehabt und überlebt, weil er nur einen Streifschuss an der Stirn davongetragen habe. Die Wunde sei folgenlos ausgeheilt, nur eine kleine Narbe noch zu erkennen (Abbildung 7). Die Frage, ob er wisse, dass sich ein Projektil im Bereich seiner Schädelbasis befindet, verneinte er. Ursächlich für die ärztliche Konsultation seien Unter- kieferschmerzen links sowie eine ver- mutete Sinusitis maxillaris der rechten Kieferhöhle bei unspezifisch wieder- kehrenden Schmerzen der rechten Gesichtshälfte. DISKUSSION Die Behandlung von Kriegsverletzungen aus dem Zweiten Weltkrieg und deren Folgeschäden hielt noch viele Jahr- zehnte nach Kriegeede an. Die jetzige Generation von praktizierenden Ärzten und Zahnärzten in Mitteleuropa hat – bedingt durch den lang anhaltenden Frieden in Nord- und Mitteleuropa – glücklicherweise nur wenig Erfah- rungswerte in diesem Bereich. Mit dem in den vergangenen Jahren erlebten Flüchtlingsstrom aus Krisengebieten werden nun allerdings immer wieder Menschen mit kriegsbedingten Verlet- zungen und psychischen Traumata in unseren Krankenhäusern und Praxen vorstellig, die Befunde aufweisen, die in unseren Breiten auf Unkenntnis stoßen. Ein anhaltendes Problem kann darüber hinaus die Kommunikation darstellen. Mit zunehmender Zeit werden die Sprachkenntnisse der Zuwanderer im- mer besser, jedoch ist eine Inanspruch- nahme von Dolmetschern nicht im- mer zu umgehen. Unser Fall demonstriert, wie wichtig eine ausführliche Patientenanamnese ist und dass auch Befunde, die anfäng- lich unfassbar erscheinen, mit Rück- sicht auf die Vorgeschichte evaluiert werden müssen. Dass ein Mensch einen derartigen Kopfschuss ohne Beeinträchtigung bedeutender Struktu- ren der Schädelbasis nahezu unver- sehrt überlebt, erscheint fantastisch. Abschließend muss die Bedeutung der dreidimensionalen Diagnostik (Computertomografie oder DVT) hervorgehoben werden und in Fällen von unklaren Beschwerden rechtzeitig in die diagnostische Kette Einzug finden. \ Abb. 4: Sagittaler Ausschnitt aus der DVT- Aufnahme: Deutlich zeigt sich der metalldichte Fremdkörper mit charakteristischer Projektil- form mittig in der Schädelbasis. Abb. 5: Axialer Ausschnitt aus der DVT- Aufnahme mit deutlicher Lokalisation des Projektils in der Schädelbasis Abb. 6: Frontaler Ausschnitt der DVT-Aufnahme mit Darstellung der Beziehung des Projektils zur Wirbelsäule Abb. 7: Klinisches Bild der ehemaligen Eintrittswunde mit sehr unauffälliger Narbe am Haaransatz DR. DR. HEINER WERLE MKG in Reinbek Bahnhofstr. 4, Reinbek bei Hamburg Foto: privat Alle Fotos: Dr. Gabriele Hofmann und MKG am Kurpark 4 6 7 5 | 79
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