Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 110, Nr. 10, 16.5.2020, (974) S3-LEITLINIE WELCHER INTERESSENKONFLIKT IST GEMEINT? Zum Leserbrief von Prof. Dr. Rainer Hahn „S3-Leitlinie zur Parotherapie: Die Auswahl der Parameter erscheint willkürlich“ , zm 7/2020, S. 8–9, zum Artikel „S3-Leitlinie ‚Subgingivale Instrumentierung‘“, zm 3/2020, S. 32–34. In dem Text werden eine Reihe von Punkten aufgelistet, die die Methodik der aktuellen Leitlinie (LL) zur subgingivalen Instrumentierung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sowie der Deutschen Gesellschaften für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und Parodontologie (DG PARO) infrage stellen. Mit unserer Antwort auf den Leserbrief möchten wir zu dieser Kritik Stellung nehmen und auch darlegen, warum die Parameter zur Nutzenbewertung zusätzlicher Verfahren zur subgingivalen Instrumentierung keineswegs willkürlich, sondern praxisrelevant und wichtig für die Patientenversorgung sind. Kollege Hahn kritisiert zunächst, dass „nicht auf verschiedene instrumentelle Verfahren wie Handinstrumentierung, Schall- oder Ultraschallgeräte“ eingegangen wird, sondern „ausschließlich verschiedene Möglichkeiten der adjuvanten lokalen Therapie bewertet“ würden. Wie lautet das Ziel der LL? Diese Leitlinie soll den Anwendern eine Entscheidungshilfe zur Auswahl geeigneter Methoden für die Parodontitistherapie mittels subgingivaler In- strumentierung bieten und die Patienten, die parodontologischen Rat suchen, über den aktuellen Stand auf diesem Gebiet infor- mieren. Die mechanische subgingivale Instrumentierung wird als Standard vorausgesetzt, egal ob mit Handinstrumenten, Schall- oder Ultraschallgeräten. Es geht um die Frage, ob die Verwendung alternativer oder zusätzlicher Verfahren wie Laser oder antimikrobielle Photodynamische Therapie (aPDT) zu besseren Ergebnissen führt. Er weist den Leser zudem darauf hin, dass die Qualität der Studien, die den Effekt der alleinigen subgingivalen Instrumentie- rung beurteilen, von der American Aacdemy of Dentistry (ADA) in ihrem Systematischen Review „nur“ als moderat eingestuft wurde. Das ist zutreffend. Allerdings wird die methodische Qualität keiner der in diesem Review berücksichtigten Studien besser als moderat bewertet. Tatsächlich ist das aber auch nur ein Aspekt in der Systematik von strukturierten Übersichts- arbeiten. Der wesentliche Punkt bei der Beurteilung ist aber der Effekt, den eine weitere Maßnahme zusätzlich zur subgingivalen Instrumentierung bringt und ob der Nutzen im Hinblick auf den Aufwand für den Patienten relevant ist. Darüber hinaus kritisiert Herr Kollege Hahn die Variable, die in der S3-LL zur Beurteilung des Therapieerfolgs herangezogen wird. In der kritisierten LL ist das die Taschensondierungstiefe (TST). Herr Hahn hätte den klinischen Attachmentlevel (CAL) favorisiert und bezieht sich dabei auf „Experten der American Dental Association“, die 2015 in ihrer LL dem CAL den Vorzug vor der TST gegeben haben 1 . Welche Variable bestimmt die Indikation zu subgingivaler Instrumentierung? TST oder CAL? Wer einen Blick in die Richtlinien zur systematischen Behandlung von Parodontopathien wirft, wird dort TST ≥ 3,5 mm als eine Voraussetzung für die Beantragung des geschlossenen Vor- gehens finden. In der aktuellen Klassifikation der Parodontal- erkrankungen, die Kollege Hahn gerne in Veranstaltungen erläutert, wird Gesundheit im parodontal kompromittierten Gebiss ebenfalls anhand von TST in Kombination mit Bluten auf Sondieren 2 definiert. Parodontitis im eigentlichen Sinne ist der Prozess der Zerstörung des Parodonts und nicht der Zustand danach, also ist nicht CAL der Parameter, um Parodontitis zu messen, sondern der CAL-Verlust 3 . Das Risiko für CAL-Verlust ist bei niedrigen TST (< 5 mm) deutlich verringert. Deshalb finden aktuell Variablen für die klinische Bewertung parodontaler Therapie Verwendung, die die Zahl persistierender erhöhter TST beschreiben. Als anzustrebendes Therapieziel werden ≤ 4 Stellen mit TST ≥ 5 mm definiert 4 . Herr Kollege Hahn wirft zudem den Autoren der LL vor, dass die Auswertung der Studie nicht nach wissenschaftlichen Kriterien, sondern nach willkürlich ausgesuchten Parametern und vor dem Hintergrund fraglicher Interessenskonflikte erfolgt ist. Welche Interessenskonflikte meint er konkret? Wir gehen davon aus, dass er sich damit auf den bereits durch den Hersteller eines aPDT- Systems geäußerten Vorwurf bezieht, dass wir (Bettina Danne- witz und Peter Eickholz) durch unsere Teilnahme an Studien zur Anwendung von lokalen Antibiotika einen Interessenskonflikt im Hinblick auf adjunktive Verfahren zur subgingivalen Instru- mentierung haben. Alle Autoren und Teilnehmer der LL haben aber ihre potenziellen Interessenskonflikte entsprechend den Vorgaben der AWMF transparent offengelegt. Die Auswertung dieser Fragebögen erfolgte durch Frau Prof. Kopp (AWMF- IMWI). Zudem sind wir weder Autoren oder Co-Autoren der LL, sondern haben den LL-Prozess bei der Umsetzung der DELBI-Kriterien begleitet. Transparenz muss aber auch für die gelten, die jetzt Kritik an den Empfehlungen der LL üben. Kollege Hahn schreibt seine Kritik in der 1. Person Plural. Wofür steht dieses „Wir“? Schreibt Kollege Hahn für die Danube Private University, mit der er unter dem Leserbrief firmiert, oder schreibt er für die Cumdente GmbH, deren Geschäftsführer er ist und die ein Gerät für die antimikrobielle photodynamische Therapie im Angebot hat. Er sollte daher den Lesern der zm seine Verbundenheit zur Cumdente GmbH in Tübingen auch nicht vorenthalten. Die AWMF-S3-LL „Subgingivale Instrumentierung“ wurde 2019 publiziert. Im gleichen Jahr führte die European Federation of Periodontology (EFP) einen Europäischen Workshop zur Erstel- lung einer Leitlinie für die Therapie von Parodontitis der Grade I, II und III durch. Die entsprechende Europäische Leitlinie wird dieses Jahr publiziert und eine Adaptation der darin formulierten Empfehlungen wird in Deutschland erfolgen (angemeldetes Leitlinienvorhaben 083–043). 12 | LESERFORUM

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