Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 110, Nr. 10, 16.5.2020, (977) D ie vom Bundesgesundheits- ministerium erlassene SARS- CoV-2-Versorgungsstrukturen- Schutzverordnung trage somit nicht zur Sicherstellung der flächendeckenden zahnärztlichen Versorgung bei, die massiven negativen Folgen der Corona- Krise für die Zahnarztpraxen würden darin nicht abgefedert, stellten die Kas- senzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekam- mer (BZÄK) fest. „Wir sind absolut ge- schockt über diese fehlende Solidarität des Staates“, sagte der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer in einer ersten Re- aktion bei einem Presse-Hintergrund- gespräch am 4. Mai. Im Vergleich zu den Ärzten und selbst zu den Heilmittelversorgern erfahren Zahnärzte Eßer zufolge damit eine ab- solut nicht nachvollziehbare Ungleich- behandlung und Herabwürdigung: „Die Bedeutung der zahnmedizinischen Versorgung als Teil der Daseinsvorsorge in unserem Land wird bagatellisiert und in erheblicher Weise diskreditiert. Die wirtschaftlichen Lasten der Krise werden allein den Zahnärzten auf- erlegt.“ SO WIRD DIE KRISE FÜR DIE PRAXEN NUR VERLÄNGERT Im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf sieht die Regelung nur noch kurzfristige Liquiditätshilfen vor, die 2021 und 2022 vollständig beglichen werden müssen. „Von einem Schutz- schirm kann keine Rede sein, wenn uns lediglich ein Kredit gewährt wird, der in den nächsten zwei Jahren mit viel Bürokratieaufwand vollständig zurückgezahlt werden muss“, ver- deutlichte Eßer. „Damit wird die Krise für die zahnärztlichen Praxen nur verlängert.“ Der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Martin Hendges widersprach in dem Zusammenhang auch Äußerungen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), wonach im Anschluss an die Epidemie „Nachholeffekte“ die Nachfrage antreiben würden. „Viele Leistungen in der Prävention sind nicht nachholbar, das gilt für die Individual- prophylaxe und insbesondere auch für Leistungen für Pflegebedürftige.“ „Bislang waren finanzielle Hilfen im Gesundheitsbereich nur für Vertragsärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen verankert, die Zahnmedizin wurde hier vergessen“, erinnerte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel. Alle Hoffnungen ruhten daher auf der lange diskutierten SARS- CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutz- verordnung, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Zahnärzten und Heilmittelerbringern sichern sollte. „Mit der nun von der Bundesregierung beschlossenen endgültigen Fassung werden aber auch diese Hoffnungen zerschlagen“, stellte Engel fest. VIELE LEISTUNGEN SIND EBEN NICHT NACHHOLBAR Die Krankenkassen profitierten laut Eßer dagegen gleich doppelt von der Regelung: Zum einen durch die krisen- bedingten Einsparungen im Jahr 2020, zum anderen könnten sie in den Folgejahren die vorgegebenen Rück- erstattungen auf der Haben-Seite ver- buchen. „Ihre Mitverantwortung für die Sicherstellung der Versorgung wird völlig negiert“, rügte Eßer. „Der Erhalt einer hervorragend funktionierenden flächendeckenden und wohnortnahen zahnärztlichen Versorgung scheint für die Politik offensichtlich ohne Bedeu- tung zu sein.“ Eine hundertprozentige Rückzahlungs- verpflichtung treffe in erster Linie junge Zahnärzte, Gründer und Praxen in strukturschwachen, ländlichen Regio- nen, betonte Eßer. Engel bestätigte, dass viele Praxen die erheblichen Einnahmeverluste bei hohen weiter- laufenden Betriebsausgaben und immensen Investitionskosten nicht länger schultern können. Für junge Praxen mit hohen Krediten sei diese Situation mittlerweile existenz- bedrohend. Miete, Raten für Geräte, Hygiene- kosten, Materialien und Ausstattung belaufen sich Engel zufolge oft auf Fix- kosten von 10.000 bis 20.000 Euro pro Monat, je nach Lage und Größe. Die Neugründung einer Einzelpraxis koste durchschnittlich 598.000 Euro – über- wiegend kreditfinanziert. Zahnarzt- praxen hätten außerdem durchschnitt- lich vier bis fünf Mitarbeiter mit entsprechenden Lohnkosten. Engel: „Der nun beschlossene weitere Kredit hilft nicht weiter!“ DAGEGEN PROFITIEREN DIE KRANKENKASSEN DOPPELT „Der Rückgang des Arbeitsaufkommens in den Zahnarztpraxen liegt laut einer repräsentativen Befragung von 950 Zahnarztpraxen bei über 50 Prozent, zwischen 48 und 86 Prozent der be- fragten Praxen mussten Kurzarbeit beantragen“, rechnete Engel vor. „Wird nicht endlich gegengesteuert, droht etlichen Praxen die Insolvenz beziehungsweise frühzeitige Aufgabe. Es besteht die Gefahr, dass ein irre- parabler Schaden für die Versorgung der Bevölkerung entsteht“, verdeut- lichte Engel. Laut KZBV sind zusammen mit den In- habern deutschlandweit etwa 365.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zahnarztpraxen tätig, davon rund 32.000 Azubis. „Berücksichtigt man zu- sätzlich Arbeitsplätze in gewerblichen „Die Verordnung des BMG empfinden wir als Schlag ins Gesicht!“ Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt „Es kann nicht sein, dass die Beschäftigten in Zahnarztpraxen anders behandelt werden als unserer Kolleginnen und Kollegen in Facharzt- praxen!“ Silvia Gabel, Verband medizinischer Fachberufe „Kein zahntechnisches Meisterlabor wird über mehrere Monate ohne Zahlungseingänge überleben.“ VDZI-Präsident Dominik Kruchen | 15

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