Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10
zm 110, Nr. 10, 16.5.2020, (991) PROF. REINHARD HICKEL ZUR SITUATION LMU München: Arbeiten im Corona-Spot Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München lag wochenlang im Zentrum eines deutschen Corona-Hotspots. In dem Versorgungszentrum für ganz Südbayern wurden Hunderte Infizierte behandelt. Prof. Dr. med. dent. Reinhard Hickel schildert, was er in seiner Doppelfunktion als Direktor der LMU-Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontolo- gie und als Dekan der Medizinischen Fakultät erlebt hat – und warum er den ersten COVID-Patienten unbedingt selbst behandeln wollte. W ir haben von Anfang an rela- tiv höhere Zahlen bei Inten- sivpatienten gehabt, weil wir viele Patienten aus ganz Südbayern zuverlegt bekommen haben“, berichtet Hickel. Aufgrund des riesigen Einzugs- bereichs und den zum Teil sehr schwe- ren Verläufen mit multiplem Organ- versagen habe man großen Respekt vor einem Patientenansturm gehabt. „Wenn es dazu gekommen wäre, hätten wir das in München nicht allein schaffen können.“ TROCKENÜBUNGEN ZUR VORBEREITUNG Entsprechend frühzeitig sei das Hygie- ne- und Sicherheitskonzept weiterent- wickelt und umgesetzt worden. Dazu gehörten unter anderem Trockenübun- gen und die Erstellung von Videos zum sicheren Umgang und Ablegen der ungewohnten persönlichen Schutzausrüstung (PSA), eine Digitali- sierung der Vorlesungen, Verlegung der Ausbildung an Phantomköpfe so- wie ein permanentes Screening aller Patienten, die täglich in die Zahnklinik kommen. „Wir messen seitdem kon- taktlos die Temperatur und lassen uns Fragen zu Symptomen beantworten“, führt Hickel aus: „Bis heute haben wir in der Zahnklinik nicht einen Mitar- beiter, der sich an einem Patienten infiziert hat.“ Von den rund 10.000 Mitarbeitern des kompletten Klinikums hätten sich bis- lang nur 75 infiziert, drei Viertel davon eher im privaten Umfeld. Durch NGS (Next generation sequencing) – eine neue Methode zur Sequenzierung von Genomen – lasse sich genau nachwei- sen, wer wen infiziert hat und woher das jeweilige Virus stammt. Infektio- nen innerhalb des Klinikums sind die Ausnahme – sie datieren auf die Anfangstage der Pandemie, als ein unerkannter COVID-Patient aus Südti- rol eingeflogen wurde. „Er kam mit Falschdiagnose Influenza und musste aufgrund seines lebensbedrohlichen Zustands bei uns sofort intubiert werden – wobei sich alle drei beteilig- ten Mitarbeiter infiziert haben“, erzählt Hickel. Als anschließend ein wenig Beunruhi- gung die Runde machte, war für . Hi- ckel klar, „die erste zahnmedizinische Behandlung eines COVID-Patienten im Klinikum mache ich selbst“. Ihm sei wichtig gewesen, zu zeigen, dass er sich als Chef nicht wegduckt. Der Fall sei letztlich unspektakulär gewesen, ei- ne Frau mit akuter Pulpitis – „aber Mit- arbeitern die Angst zu nehmen war das Wichtigste“. JEDEN TAG WERDEN ÜBER 20.000 MNS VERBRAUCHT Der bisherige Erfolg in München ist für Hickel ein Zusammenspiel „vieler klei- ner Mosaiksteine“. Im Krisenmodus herrsche eine gute Harmonie im Haus und auch die Sicherheitsmaßnahme der Verlagerung eines Teils der Beleg- schaft ins Homeoffice habe gut ge- klappt. Bis genaue Zahlen zu den zahnmedizi- nischen Behandlungen vorliegen, wird es noch dauern. Aktuell habe es noch keine Zeit für eine Auswertung gege- ben, so der Klinikdirektor. Die Zahl der Behandlungsfälle schwankte in der Vergangenheit zu stark. „Mal waren es 15, mal 80 am Tag“, sagt Hickel, der sehr froh ist, dass es zu keinem Zeit- punkt einen Engpass an PSA gab. „Als Großklinikum haben wir zum Glück einen ganz anderen Einkauf als viele anderen Häuser.“ Als Vorsichtsmaßnahme und aufgrund zahlreicher Diebstähle in den Anfangs- tagen der Pandemie habe man täglich hochrechnen lassen, wie lange die Be- stände noch ausreichen. „Der niedrigs- te Stand waren zwischendurch mal 12 Tage, jetzt sind wir wieder an dem Punkt, dass wir für mehr als vier Wo- chen Material haben“, fasst Hickel zu- sammen und gibt zur Orientierung ei- ne Größenordnung: Jeden Tag werden im gesamten Klinikum ca. 20.000 Mund-Nasen-Schutze verbraucht. mg Die modifizierten Wartebereiche bieten ausreichend Sicherheitsabstand. Fotos: LMU Klinikum / R. Hickel Zwei Mitarbeiterinnen screenen alle Patienten, die täglich in die Zahnklinik kommen. | 29
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