Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10
zm 110, Nr. 10, 16.5.2020, (999) In einem andauernden Hin und Her zwischen Zahnärzte- verbänden, einzelnen Zahnärzte-Komitees und der Regie- rung kam es zu keinen Entscheidungen – die Kolleginnen und Kollegen standen ohne Informationen allein gelassen da. Getreu dem Motto „Keep calm and carry on“ wurde weitergearbeitet. Man stand vor dem Abschluss des Ge- schäftsjahres, das hier im März endet, und die Zahnarzt- praxen mussten ihre laufenden NHS-Verträge erfüllen, da sonst Strafzahlungen gedroht hätten. PLANE DEINE BEERDIGUNG, FALLE NICHT ZUR LAST Ältere Menschen waren bereits Anfang März den Aufforde- rungen der Regierung gefolgt und hatten sich zu Hause selbst isoliert. Für viele alte Menschen war dies ein Problem, denn ihnen fehlten jetzt die sozialen Kontakte, die nur noch über das Telefon möglich waren. Es dauerte nicht lange und mich erreichte die SMS eines guten Freundes, der bereits seit Jahren im Rentenalter war und nicht mehr das Haus verließ: „Ich habe schon Fußball-Entzugserschei- nungen, am Samstag stundenlang Badminton geschaut, weil kein anderer Sport kam. Fernsehen ist langweilig und in der Werbung erzählen sie dir den ganzen Tag, dass du deine Beerdigung arrangieren sollst, damit du deiner Familie nicht zur Last wirst.“ Zu jener Zeit hatte Großbritannien noch weniger Infektionen als Deutschland, die Todeszahl der Erkrankten lag jedoch bereits höher. Die Bahnhöfe in London waren leer, wie man es sonst nur selten gesehen hatte, und selbst in den Zügen und U-Bahnen wurde es immer einsamer. Ebenso einsam wurde es in den Regalen der Supermärkte, die noch gnaden- loser gestürmt wurden, als in Deutschland. Von den zahnärztlichen Organisationen gab es noch immer keine Entscheidung, ob der Praxisbetrieb aufrechterhalten oder die Praxis geschlossen werden soll. Stattdessen verschickte man an die englischen Zahnärzte E-Mails mit Postern, die man ausdrucken und in der Praxis aufhängen sollte. Dazu Empfehlungen, Patienten zu fragen, ob sie irgendwelche Symptome zeigen oder sich in einem Risiko- gebiet aufgehalten hatten. Zudem wurde den Zahnärzten geraten, sich bei den Verbänden in Wales und Schottland zu informieren, wie dort mit dem Problem umgegangen wird. Als am Abend 21. März die Anweisung der Regierung kam, alle Pubs und öffentlichen Einrichtungen zu schließen, trafen sich viele Londoner noch einmal zu einem angemessenen Abschiedstrunk in ihrem Lieblingspub, es wurde gefeiert, als gäbe es kein Morgen mehr. In der BBC meldeten sich Ärzte und berichteten über die unhaltbaren Zustände in den Krankenhäusern ( https:// www.bbc.com/news/av/embedp08765lk/51981350) . Das Problem war nicht nur die Schutzbekleidung, es fehlte auch an Mitarbeitern. Seit dem Brexitvotum hatten über 10.000 Mitarbeiter den NHS verlassen, darunter mehr als 4.700 Krankenschwestern. Zudem wurden bei 1.000 Infizierten bereits die Intensivbetten knapp. Als die wohl weltweit größte Burgerbraterei am 23. März. verkündete, ihre Filialen schließen zu wollen und sich noch einmal lange Schlangen an den Drive-troughs bildeten, meinten einige Engländer, dass jetzt auch die Jüngeren begreifen würden, dass die Lage ernst sei. Am 24. April schließlich bekam jeder Handybesitzer eine SMS von der Regierung, wonach neue Regeln in Kraft getreten seien. Man müsse zu Hause bleiben und solle sich auf den entsprechenden Internetseiten informieren. Für die nächsten drei Wochen sollten alle nicht lebensnotwendigen Geschäfte geschlossen bleiben, Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen wurden verboten, genauso Hochzeiten und Taufen. Sport war nur einmal am Tag erlaubt. Und die Maßnahmen wurden von der Polizei strikt kontrolliert, auf einigen Landstraßen gab es Straßensperren, an denen sich die Autofahrer ausweisen und erklären mussten, zu welchem Zweck sie unterwegs waren. Am 25. April schließlich wurde den englischen Zahnarztpra- xen mitgeteilt, die Behandlung von Patienten einzustellen. Für Schmerzpatienten sollten spezielle Anlaufstellen ge- schaffen werden und in den Praxen selbst sollte ein Telefon- dienst eingerichtet werden, um ihnen die entsprechenden Auskünfte zu geben. Inhabern von Zahnarztpraxen wurde gleichzeitig zugesichert, dass die Gelder entsprechend ihres NHS-Vertrags weiterlaufen. WIE SOLLEN INHABER JETZT IHRE PRAXIS FINANZIEREN? Allerdings müssten sie sich gleichzeitig bereithalten, um sich im Bedarfsfall in einem der Krankenhäuser an der Betreuung von Corona-Patienten zu beteiligen. Was je- doch trotz weiter erfolgender NHS-Zahlungen für einige Probleme in den Zahnarztpraxen sorgen wird, ist der Aus- fall der Privatumsätze, die nicht selten bis zu ein Drittel der Gesamteinnahmen ausmachen. Und da man sich bis- her an die regelmäßig monatlichen Einnahmen gewöhnt hatte, sind die Ausgaben entsprechend hoch. Da sind die Kredite für die Praxis, die hohen monatlichen Raten für das Privathaus und die Autos, alles Ausgaben, die weiter- laufen und in der jetzigen Situation nicht gestoppt werden können. Um die Helferinnen nicht entlassen zu müssen, kamen diese in einem speziellen Regierungsprogramm unter, das der deutschen Kurzarbeiterregelung entspricht. Der Unter- schied ist jedoch, dass im Vereinigten Königreich 80 Prozent des bisherigen Gehalts an die freigestellten Mitarbeiterinnen gezahlt werden. Schlechter sieht es für die Associates in den Zahnarztpraxen aus. Zwar gibt es ein Regierungsprogramm zur Unterstützung von Selbstständigen, aber zum einen wird das Geld frühestens im Juni ausgezahlt und zum an- deren gilt dieses Programm nur bei einem Einkommen bis zu 50.000 Pfund. Wer laut seiner Steuererklärung in 2019 | 37
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