Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 110, Nr. 10, 16.5.2020, (968) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Wochen habe ich in meiner Praxis die gleichen Erfahrungen wie Sie machen müssen. SARS-CoV-2 hat unseren Praxisablauf beträchtlich verändert. Unter Beobachtung der Entwicklun- gen haben wir in der BZÄK bereits Anfang Februar angefangen, alle bis dato vorliegenden Erkenntnisse zusammenzutragen, sie durch eine zahnmedizinische, berufsrechtliche beziehungsweise die Hygiene betref- fende Ausarbeitung unserer Fach- abteilungen zu ergänzen und Ihnen als Hilfestellung und Handlungs- empfehlung zur Verfügung zu stellen. Als sich erste Versorgungsengpässe andeuteten, haben wir diese gegen- über dem Bundesgesundheitsminister benannt und zügige Lösungen ein- gefordert. Pragmatisches Handeln war gefordert. Erstaunlich, wie jahrelang geltende und scheinbar unverrückbare Vor- schriften im Bereich der Hygiene nun flexibel gehandhabt werden können, Desinfektionsmittel dürfen in Apotheken hergestellt und Mas- ken können sogar wiederaufbereitet werden. Auf die täglich neuen Erkenntnisse des RKI, der Virologen und der Epidemiologen haben wir zeitnah reagiert. Täglich, manchmal sogar stündlich, wurde geprüft und aktualisiert, um dann entsprechend den Erfordernissen in den Praxen die Informationen auszurichten. Zusätzlich haben wir zahlreiche Empfehlungen zur Senkung des Infektionsrisikos zusammengestellt. Denn große Sorgen bereitete dem zahnärztlichen Behandlungsteam die direkte Nähe zum Infektionsort und zu möglichen Übertragungswegen durch die entstehenden Aerosole. Unter Beachtung der internationalen Entwicklungen und Erfahrungen hat der BZÄK-Vorstand konsequente Empfehlungen gegeben, die sowohl das Risiko der Infektionsausbreitung als auch das der eigenen Infektion reduzieren. Das RKI und weitere Institutionen verweisen auf die Bundeszahnärzte- kammer. Neben den Hygieneaspekten haben wir für die Praxen, aber auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alle verfügbaren staat- lichen Unterstützungsmaßnahmen zusammengestellt und aufbereitet. Im Bereich der PKV und Beihilfe ist es uns dank des guten Netzwerks schnell und unbürokratisch gelun- gen, eine Hygienepauschale zu ver- handeln. Einfach ist es dennoch nicht: Große Einbrüche in der Versorgung, die immer noch unbefriedigende Ausstattung an Schutzmaterialien und immense Umsatzverluste machen es uns weiterhin schwer. Danke, dass Sie und Ihr Team trotz aller Schwie- rigkeiten für Ihre Patienten da sind! Danke auch für Lob und Zuspruch, das bestätigt, dass die Erfahrungen aus der eigenen täglichen Praxis für die Aufgaben im Ehrenamt nutz- bringend sind. Tief trifft mich jedoch die Aussage, die zahnmedizinische Versorgung wäre nicht systemrelevant und keine notwendige ärztliche Tätigkeit. So gipfelte dies sogar in gesetz- geberischen Maßnahmen, zahn- medizinische Behandlungen aus- schließlich in Notfällen zuzulassen. Dies trivialisiert die Zahnmedizin und den Berufsstand. Entscheide ich nicht täglich bei jedem Patienten über die Indikation und habe ich nicht dabei immer sein Wohl im Auge? Wäge ich nicht jeweils Risiko und Nutzen sowie die Komplikationsdichte des Eingriffs ab? Jeder von uns hat und wird sich bei jeder Behandlung dieser ethischen Herausforderung stellen – und dies im Interesse seiner Patienten beantworten. Zahnmedizin ist ein integraler Bestandteil der Medizin und wichtiger Teil der medizinischen Primärversorgung. Die derzeit statt- findende Diskussion in vielen medizinischen Fachbereichen, ob die hauptsächliche Fixierung auf die Intensivmedizin zu kurz greift, bestärkt uns dabei. Die Lage bleibt also angespannt und ist nicht schönzureden. Die immensen Herausforderungen in den Praxen bleiben. Aber insgesamt besteht auch Optimismus, den Solidarität und Pragmatismus hinter- lassen. Überbordende Bürokratie und politische Behäbigkeit scheinen ausgesetzt. Kurzfristige, schlanke und pragmatische Lösungen gewinnen. Dennoch agiert die Bundesregierung kurzsichtig und gegen das Wohl der Patienten, wenn sie glaubt, dass die Mundgesundheit nicht denselben Stellenwert hat wie zum Beispiel die Gesundheit von Gelenken oder inneren Organen. Mundgesundheit ist systemrelevant! Mit kollegialen Grüßen Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der BZÄK Foto: Axentis.de Wir Zahnärzte sind systemrelevant! 06 | LEITARTIKEL

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